Analyse Kann Armin Laschet Kanzler werden?
Düsseldorf · Der NRW-Ministerpräsident soll ein Verlierer der Wahl von Ralph Brinkhaus sein. Dabei ist gerade jetzt Laschets größte Fähigkeit gefragt: die Partei zu vereinen und die Flügelbildung zu verhindern.
Das Programm am Mittwoch ließ wenig Raum. Am Mittag der Antrittsbesuch der US-Generalkonsulin Fiona Evans in der Staatskanzlei in Düsseldorf, dazu die kategorische Kabinettssitzung, später Armin Laschets Grußwort im Rahmen der Dom-Illumination „Dona nobis pacem“ in Köln. Deswegen entschied sich der Apparat um NRW-Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) für einen zugeschalteten Auftritt im ZDF-Morgenmagazin. Zur „Kanzlerdämmerung“, zur „Erosion von Merkels Macht“ – alles Schlagzeilen des Tages nach der Wahl von Ralph Brinkhaus aus dem nordrhein-westfälischen Rheda-Wiedenbrück zum Chef der CDU/CSU-Fraktion im Bundestag – durfte Laschets Analyse nicht fehlen. Jetzt stehen, bloß nicht in die Defensive geraten, das ist die Devise. In den Abwärtsstrudel, der sich mitten in der Partei seine Opfer sucht, so viel ist sicher, will er sich gar nicht erst reinziehen lassen. Und am besten wäre es, es gäbe diesen Strudel erst gar nicht. Und die Dinge entwickeln sich erst allmählich weiter. Dafür steht Laschet ja wie kein anderer: als Vertreter der allmählichen Verfestigung seiner Kontur beim Regieren.
Wenn es schon jetzt um die Frage gehen sollte, wer auf den ersten weiblichen deutschen Kanzler in Berlin folgen könnte, spielt Laschet oft noch eine untergeordnete Rolle. Aber die Wahrnehmung ändert sich gerade. Der Mann aus Aachen hat es eben nicht nur geschafft, auf pragmatische Art eine CDU/FDP-Regierung in NRW zu etablieren, die als Blaupause eben auch immer der Traum der Konservativen in der Bundespartei geblieben ist – und auf die Konservativen in der CDU kommt es jetzt ja an. Sie gilt es einzufangen, auf Kurs zu halten, zu vereinen. Die Spahns und Linnemanns. Und den Brinkhaus. Laschet könnte mit seinem moderativen Stil jene Kraft sein, die die Partei eint. Er ist es, der stets gegen den Zerfall in Flügel spricht und ankämpft. So hat er mitverhindert, dass die von Helmut Kohl initiierte Sammlungs- und Volkspartei schon jetzt einen Bedeutungsverlust samt Mitgliederschwund verzeichnet, wie es gerade den Sozialdemokraten geschieht.
Laschet erlaubte sich einen Perspektivwechsel
Jetzt gilt es, sich beweglich zu zeigen. Der erste Versuch ist ja schon gelungen. Laschet ließ sich am Mittwoch weder selbst, noch der Kanzlerin die von Merkel eingestandene Abstimmungsniederlage in der Brinkhaus-Kauder-Frage anheften. In der Personalie Brinkhaus, dem er ja erst vor wenigen Wochen in der Landespressekonferenz die Unterstützung mit dem Hinweis verweigert hatte, Nordrhein-Westfalen brauche nicht noch mehr Einfluss in der Bundespolitik – was ja schon an sich eine erstaunliche Bestandsaufnahme ist, weil in der Politik Viel immer viel geholfen hat –, man sei dort mit Ministern und Staatssekretären gut versorgt, und es gebe keinen Grund, Kauder überhaupt infrage zu stellen, erlaubte sich Laschet einen Perspektivwechsel: Eilig versendete die NRW-CDU am Mittwoch das Pamphlet, das mit „Kluger Kopf für pragmatische Politik“ überschrieben war, Brinkhaus meinte, und Sachpolitik und Zusammenhalt anmahnte.
Ralph Brinkhaus könne das, stand da – und schon war der Dissenz abgeräumt und die Deutungshoheit zurückgewonnen. Dass Laschets Kurs gegen den NRW-Mitstreiter bei vielen in der CDU nicht gut angekommen war, hatte der Ministerpräsident schon vor einigen Tagen abgeräumt, als der jetzige Fraktionschef in einem Interview erklärte, das Thema sei in einem persönlichen Gespräch beiseite geschafft worden: „Alles gut.“
Diese Doppelstrategie von Laschet mag noch kein ausgesprochenes Konzept sein, sie hat aber oft funktioniert. Zuerst den Dissenz nicht scheuen, dann aber einbinden, wenn er gestalten kann: So wurde Hendrik Wüst Verkehrsminister, Wolfgang Bosbach zur Wahlkampfhilfe und anschließend zum Kommissionschef für Innere NRW-Sicherheit. Und mit dieser Devise startete auch die Rückholaktion von Karl-Josef Laumann. Laschets alter Widersacher, den man eigentlich erfolgreich nach Berlin abgeschoben hatte, kehrte als NRW-Arbeitsminister zurück: Westfale und Rheinländer lagen sich noch am Wahlabend 2017 glücklich in den Armen. Viel mehr muss man zum Konzept Laschet eigentlich gar nicht sagen.
Aber wie geht es nun weiter? Vieles ist offen, weil Politik zwar Pläne zulässt, aber Ereignisse immer öfter unangenehm dazwischen schlagen. Und wer am Ende übrig bleibt gewinnt. Nur Linien und Wegmarken sind erkennbar. Die Regierung bröckelt zusehends und ist wesentlich vom Willen der Beteiligten zusammengehalten, eigenen Gestaltungswillen und Job nicht aufzugeben – also in der Aufgabe zu bestehen. Fraglich ist auch, wie Merkel nach so langer Kanzlerschaft der Absprung gelingt.
Noch nie in der Geschichte der Bundesrepublik ist es einem amtierenden Kanzler gelungen, einen geordneten Übergang zu moderieren. Da wurde stets geputscht, aufgegeben oder abgewählt. Auch die Frage, ob sie im Dezember beim CDU-Bundesparteitag noch einmal als Parteivorsitzende antritt, ist heute nicht zu beantworten. Noch hat Merkel die Macht, den Übergang im Einvernehmen mit einer Partei zu verhandeln, die sich zweifellos im Aufbruch befindet. Viel Zeit bleibt ihr deshalb aber nicht mehr. Zumal Bayern- und Hessen-Wahl die nächsten Pflöcke einschlagen.
Kanzlerin habe die Fraktion weiter hinter sich
Irgendwo in dieser Gemengelage sucht Laschet sich gerade seinen Weg. Die Kanzlerin, sagte der NRW-Ministerpräsident am Mittwoch im ZDF-Morgenmagazin, habe die Fraktion ganz sicher weiter hinter sich. Es habe aber wohl den Wunsch nach Veränderung in der Fraktionsführung gegeben. Alles von allem abkoppeln also, nur nichts miteinander ungehörig und zersetzend in Zusammenhang stellen, das ist jetzt seine Devise. Laschet weiß, dass auf die Union aufregende Monate zukommen werden. Wenn er es jetzt schafft, wendig zu bleiben, zu moderieren und zu einen, dann hätte er einiges gewonnen. Und dann könnte es schon bald auf ihn ankommen.