Sinfonieorchester bringt heißen Tanz zum Klingen

Das Tangokonzert in der Stadthalle lieferte rassige und intensive Momente. Solist Aleksandar Nicolic überzeugte am Bandoneon.

Foto: Andreas Fischer

Für viele wird es der erste Besuch in diesem Herbst in der Stadthalle gewesen sein: Das Tangokonzert des Sinfonieorchesters Wuppertal zog Klassikfreunde bei schon abendlichem Licht auf den Johannisberg. Aber nicht nur sie — als Sonderkonzert zum 20. „Ball Tango Argentino“ war der Abend für Aktive dieser Variante ebenfalls besonders schön. Der argentinische Tango unterscheidet sich deutlich von landläufigen Vorstellungen des Tanzes — von Bodegas voll rassiger Paare, lasziv, aber ohne viel Konzept. Er fordert — und zwar Tänzer wie auch Musiker.

Für die Zuhörer freilich kam der Abend unter Leitung von Daniel Smith trotzdem zugänglich daher, selbst wenn man eher für gängigere Latin-Klänge gekommen sein sollte. Dass der heiße Tanz auch konzertfähig wurde, gilt in der Musikgeschichte als Verdienst von Astor Piazzolla. Entsprechend nahm er heute große Teile des Programms ein: Drei der sieben Stücke stammten von dem 1992 gestorbenen Komponisten.

Schon die Ouvertüre von Schostakowitsch gab allerdings einen guten Eindruck von der argentinischen Spielart. Diese erste Vorstellung des Genres wirkte zackig, monumental, intensiv. Die Piazzolla-Stücke zeigten es dann vollends als komplexe Musikrichtung. So beim Titel „Aconcagua“, der aus drei Teilen bestand, je keineswegs simpel gegliedert und kaum thematisch strukturiert.

Ähnlich der Eindruck vom Bandoneon: Bei dem serbischen Solisten Aleksandar Nikolic war es ein virtuoses Konzertinstrument, stand gleichberechtigt neben und zwischen den Orchesterpartien, ohne dabei seine volkstümliche Aura zu verlieren. Dazu auffälliger Schlagzeugeinsatz gegen Anfang und langgezogene Streicher zum Ende: Spannungsreich zeigte der Tango sich auch hier und erntete langen Applaus.

Emotion mit großer Geste — so vielleicht mochte der Argentino-Neuling die Konzertstücke mit den Vorstellungen vom Standardtango auf einen Nenner bringen. Das galt nach der Karnevals-Ouvertüre von Antonín Dvorák auch für die Tanz-Suite von Béla Bartók nach der Pause, bei der von zarten Bläsern bis zum großen Paukenschlag alles dabei war. Und beim abschließenden „Danzon No. 2“ von Arturo Márques meinte man gar südliche Klanghölzer und ähnlich Sommerliches herauszuhören; mancher Zuschauer ging da auf dem Stuhl sichtlich mit und ließ sich doch noch rhythmisch anstecken.

Noch vor der Zugabe war das Flair zum Abschluss sommerlich geworden. Kenner vermissten das Heißblut natürlich auch vorher nicht: Zwar heute als Konzert geboten, ist auch dieser Tango durchaus tanztauglich.

„Bei den komplexen Titeln würde man zum Tanzen eher ein Teilstück spielen“, erklärte im Foyer Magdalena Büchel, kundige Besucherin und mit ihrem Mann Joachim gekommen. Möglich wäre demnach bei schweren Passagen sogar, einmal im laufenden Spiel eine Pause einzulegen oder sie sparsam zu überbrücken: „Beim Tango geht das — anders als bei vielleicht jedem anderen Tanz.“ Beschwingt und um einige Erkenntnisse reicher ging es hinaus in die Nacht.