Schnee, Eis und Streusalz So funktioniert der Winterdienst in Wuppertal: „Ein Streuwagen ist kein Zauberschlitten“

Wuppertal · Wie arbeitet der Winterdienst, wenn es in Wuppertal schneit und Glatteis droht? Ein Besuch beim Betriebshof am Klingelholl.

Oliver Nietz ist als Straßenreiniger in diesen Tagen auch mit den Streufahrzeugen unterwegs.

Foto: Martin Gehr

Auf dem Betriebshof am Klingelholl herrscht ein reges Treiben: Wuchtige Müllfahrzeuge und Streuwagen mit Schneeschieber fahren vorbei, Mitarbeiter in orange leuchtenden Jacken und Hosen befördern in metallenen Karren diverse Schaufeln und Besen ins Materiallager. Leichter Schneefall, aber entspannte Stimmung. Es ist Mittag; die größten Anstrengungen haben die meisten Kollegen vorerst hinter sich. Denn auch wenn der Eigenbetrieb Straßenreinigung Wuppertal (ESW) einen sperrigen Namen trägt, sind die Aufgaben seiner Mitarbeiter ganz praktischer Natur. Vor allem Natur.

Oliver Nietz kommt gerade von seiner Schicht. Der Straßenreiniger war seit 3.30 Uhr unterwegs. Mit dem Streuwagen. „Dellbusch, Nordhöhen, Bracken, Nächstebrecker Busch“, zählt er auf. „Heute war’s okay, das waren ja nur die ersten größeren Schneefälle.“ Die härteste Zeit komme eher im Januar und Februar. „Das Schlimme ist für uns aber nicht der Schnee, sondern wenn es Eisregen gibt. Ein Streuwagen ist kein Zauberschlitten. Wir haben auch nur Reifen drauf wie jedes andere Fahrzeug.“

Je früher er und seine Kollegen beginnen, „desto ruhiger verläuft die Arbeit, weil so früh am Morgen noch kein Berufsverkehr ist“, sagt er und begutachtet einen der Sattelkipperzüge. Wenn dennoch Autos unterwegs sind, mache ihm die mangelnde Toleranz zu schaffen: „Wir leuchten schon wie ein Weihnachtsbaum, trotzdem fahren viele Leute noch bis zum Schild vor und erschweren unseren Weg.“ Aufgrund der Topografie stelle Wuppertal für den Winterdienst sowieso eine Herausforderung dar: „Hier geht es entweder rauf oder runter.“ Auch deshalb hätten viele „Schiss, bei Schnee zu fahren. Aber wir tun ja was dafür, um die Probleme im Straßenverkehr zu reduzieren, und halten so die Stadt am Laufen.“

11 300 Säcke mit Herbstlaub
sammelte der Eigenbetrieb ein

26 Tonnen Streusalz kann eines der Fahrzeuge laden, um Wuppertals Straßen sicherer zu machen. Auf dem weitläufigen Betriebshof steht dafür ein fast geheim anmutendes Salzlager bereit, das sich hinter einer der Hallen versteckt. Als Lukas Jan Kwiotek, beim ESW Abteilungsleiter für die Straßenreinigung, die schwere Metalltür aufschließt, eröffnet sich dahinter ein Kunstwerk. Es sieht aus wie ein Eisberg im Polarmeer und funkelt still vor sich hin. „Wir halten hier 2500 Tonnen bereit“, sagt er und beschreibt mit ausschweifender Geste den Berg, der sich bis zur Decke türmt. Die Flocken sind rau und grobkörnig. „Das ist kein Salz, das man sich morgens aufs Ei macht“, bemerkt Kwiotek. Weitere 1500 Tonnen lagern an der Müllverbrennungsanlage Korzert und kommen vor allem für die Südhöhen zum Einsatz.

Statt reines Salz zu streuen, gehe der ESW immer häufiger dazu über, eine sogenannte Feuchtigkeitsstreuung durchzuführen. „Die hat 30 Prozent Soleanteil“, erklärt er. „Das ist nachhaltiger und schont die Ressourcen.“ Unter Umständen seien auch 100 Prozent Sole möglich. „Wir können die Sole bei überfrierender Nässe bis minus fünf Grad einsetzen. Und zwar je früher, desto besser.“ Was vielen Autofahrern dagegen nicht bewusst sei: „Die Streuung muss verfahren werden, das heißt, die Autos müssen drüberfahren, sodass sie durch die Bewegung aktiviert wird.“ Die eisigen Temperaturen machen Oliver Nietz, der seit acht Jahren für die Stadt im Einsatz ist, nichts aus: „Zu Arbeitsbeginn geht es, aber wenn man den ganzen Morgen über draußen war, wird es mir dann auch so langsam mal kalt“, sagt er und grinst.

Eine andere Herausforderung der Natur ist in Wuppertal nun so gut wie beseitigt: das Herbstlaub. Die Laubsammlung des ESW beginnt Mitte Oktober. Der kostenlose Abholservice, bei dem die Anwohner vorbereitete Säcke an den Straßenrand stellen, läuft bis Ende November – je nach Witterung auch bis Anfang Dezember. „Wir haben bislang 11 300 Säcke mit jeweils etwa 120 Litern Inhalt gesammelt“, fasst Kwiotek die Ausbeute zusammen. „Damit sind wir fast durch. Noch ein bisschen, was in den Baumkronen hängt, aber die große Masse ist weg.“ Die Menge an Laub bleibe über die Jahre meist gleich. „Insgesamt 320 Tonnen bei 780 Positionen, also Hausnummern, die wir angefahren haben.“

Dafür waren sie mit drei Müllfahrzeugen unterwegs, darunter einem kleinen Exemplar, „das besser in die engen Gassen kommt“. Mit den 18 Tonnen schweren Großfahrzeugen seien die Mitarbeiter ab sechs Uhr unterwegs, erst in Industriegebieten, ab acht oder neun Uhr auch in den Wohngebieten. Man will den Anwohnern schließlich einen relativ ruhigen Morgen bescheren, zumal der Riesenstaubsauger, mit dem das Laub durch Unterdruck ins Fahrzeug gesaugt wird, nicht gerade leise ist.

Die Ernte wird übrigens nicht in Wuppertal verarbeitet, wie Kwiotek erklärt, sondern zur nächstgelegenen Kompostieranlage in Velbert gebracht, die das Laub zu Dünger und Torf verarbeiten.

„Ich habe früher selbst den Besen geschwungen und weiß, welche schwere Arbeit meine Kollegen leisten“, sagt Lukas Jan Kwiotek. Bevor er vor einem Jahr die Abteilungsleitung übernahm, habe er die ganze Karriere durchlaufen: „Straßenreiniger, Vorarbeiter, Fahrer, Einsatzleiter.“

Ob Laub, Müll oder Schnee – die Herausforderungen bleiben beständig. „Die Reinigung ist immer nur eine Momentaufnahme“, schildert Kwiotek. „Am nächsten Tag geht es weiter.“ Das weiß Oliver Nietz nur zu gut: „Jetzt geht’s eine Stunde in die Heia und dann mit der Familie auf den Weihnachtsmarkt, die ja auch bespaßt werden will“, kündigt er an und rückt seine Arbeitsjacke zurecht. „Aber um 21 Uhr bin ich im Bett, das sag‘ ich Ihnen, schließlich klingelt um zwei Uhr wieder der Wecker.“ Betriebshof. Salzlager. Streuwagen. Licht an. Und los. Jeden Tag eine neue Mission. Und sie ist nicht impossible. Auch nicht in Wuppertal.