Stadtfinanzen: „In Wuppertal wird konzeptionslos gestrichen“

Janine Bruchmann spricht über Finanzen, Neuverschuldung — und die Piraten.

Frau Bruchmann, Sie treten als Direktkandidatin im Wahlkreis Wuppertal I an. Wie schätzen Sie die Stimmung der potenziellen Grünen-Wähler im Tal ein?

Janine Bruchmann: Momentan würde ich sagen: konstant zu 2010. Wir gehen davon aus, dass das in etwa auch so bleibt.

Wie sind Sie in diesen kurzen Wahlkampf gegangen?

Bruchmann: Das kam natürlich völlig überraschend. Wir hatten eine Planung für die ganze Legislaturperiode, die nun unterbrochen wurde. Im Moment ist viel zu tun, und es ist schon ein bisschen aufregend.

Was sollte Ihrer Ansicht nach unbedingt fortgeführt werden?

Bruchmann: Der Stärkungspakt Kommunalfinanzen war ein Anfang, die Entlastung der Kommunen muss weiter gehen.

Wie sehen Sie die Situation in Wuppertal?

Bruchmann: Wir haben den Eindruck, dass in Wuppertal konzeptionslos gestrichen wird. Es gibt keinen Plan, nach dem entschieden wird, was geleistet werden muss, wie viele Leute wo gebraucht werden, und was man wirklich einsparen kann.

Das kann Wuppertal aber ja gar nicht leisten.

Bruchmann: Nein. Es gibt leider Lücken in der Gesetzgebung vom Land, die einfach geschlossen werden müssen. Beispielsweise muss sich die Differenzierung zwischen den sogenannten freiwilligen Leistungen und Pflichtaufgaben der Kommunen ändern. Viele freiwillige Leistungen sind wichtig für eine Stadt. Man kann sie nicht einfach unter den Tisch fallenlassen, nur weil die Finanzierung schwierig ist.

Zum Beispiel?

Bruchmann: Zum Beispiel beim Thema Jugendarbeit. Oder bei der Kultur. Die ist in Wuppertal ein Aushängeschild. Man muss weg von der Begrifflichkeit: „Freiwillig“ gibt niemand Geld aus.

Was wollen Sie tun?

Bruchmann: Der Landesentwicklungsplan ist fertig, aber noch nicht entschieden. Das wäre das Erste, das Rot-Grün weiter umsetzen kann. Gleiches muss für Stadtentwicklung gelten, auch für Personal, damit die Stadt leben kann.

Wie soll das finanziert werden?

Bruchmann: Es ist doch so, dass beim jetzt gescheiterten Haushalt zwar angemahnt worden ist zu sparen — aber im Nachhinein keine Partei mehr sagt, was sie hätte sparen können. Selbst die CDU spricht sich ja für die Studienwahl ohne Gebühren aus und sagt, dass der Kita-Ausbau richtig war. Natürlich muss gespart werden. Doch wenn man Geld ausgibt, dann bitte so, dass es zukunftsweisend ist.

Aber zur Not müssten auch Schulden gemacht werden.

Bruchmann: Ja. Mit Plan und Augenmaß.

Nun ist die Verschuldung gerade zuletzt sehr hoch gewesen. Wie passt das zusammen?

Bruchmann: Die Schuldenbremse gilt natürlich, und wir müssen sie auch in NRW einhalten; doch für eine Nullneuverschuldung spätestens 2020 reichen Sparmaßnahmen alleine nicht aus. Es bedarf daher einer nachhaltigen Finanzpolitik und zusätzlichen Einnahmemöglichkeiten. 2011 hat die Rot-grüne Landesregierung die Neuverschuldung von sechs auf drei Milliarden Euro halbiert und gleichzeitig in Zukunftsprojekte investiert. Besonders hervorzuheben sind da die Investitionen in das Bildungssystem. Und dann ist der Bund gefordert, ich werde mich persönlich für den Bedarfspakt einsetzen, der den Solidaritätspakt schrittweise ablösen soll. Aber auch zusätzliche Einnahmemöglichkeiten über höhere Spitzensteuersätze, Vermögenssteuer und Vermögensabgabe müssen in Gang kommen.

Ihre Schwerpunkte sind Demokratie, Rechtsextremismus, Gleichberechtigung Was wäre da aus Ihrer Sicht auch im Tal zu verbessern?

Bruchmann: Die Bürgerbeteiligung sollte rechtlich gestärkt werden, Bürgerbegehren müssen einfacher werden, damit die Betroffene auch Beteiligte sind. Das beste Beispiel ist die Diskussion um Ikea: Da fühlen sich die Bürger überhaupt nicht mitgenommen. Das Recht auf Beteiligung muss viel früher ansetzen. Wir brauchen auch bessere politische Bildung, von der Kita bis zur Ausbildung, um Rechtsextremismus zu begegnen. Dieses Thema ist mir ein persönliches Anliegen.

Gleichberechtigung ist ebenfalls eines ihrer Themen. Wie stehen Sie in dem Zusammenhang zu Religion?

Bruchmann: Religion ist ein problematisches Thema. Mein Standpunkt: Ich finde, Religion und Staat sind zu trennen. Es muss klar sein, dass Religion eine private Sache ist. Das wird zwar ein schwerer Kampf, aber da müssen wir hin. Deshalb widerspricht sich Gleichberechtigung für mich nicht mit Religion. Wir müssen als Staat die Bedingungen für ein selbstbestimmtes Leben schaffen.

Den Piraten werden ja ordentliche Stimmenzuwächse prognostiziert. Macht Ihnen das Angst?

Bruchmann: Angst ist das falsche Wort. Sie profitieren in Wuppertal von den Neuwählern, die sie uns wegschnappen. Die Gedanken der Piraten sind zum Teil ganz interessant, die sollte man nicht ignorieren. Doch da sind viele Zielformulierungen, aber leider keine Wege. Ich würde die Piraten derzeit als sportliche Konkurrenz sehen. Das WZ-Interview mit Olaf Wegner habe ich gelesen, und er bestätigt meinen Eindruck.

Wie stehen Sie zum Thema Diätenerhöhung?

Bruchmann: Wir haben andere „Baustellen“, die dringender sind.

Da sind Sie anderer Ansicht als Ihre Partei, oder?

Bruchmann: Wenn man sich auf die letzte Entscheidung für die zusätzlichen 500 Euro zur Altersvorsorge bezieht, dann ja. Mir ist aber auch nicht bekannt, dass der Landtag oder wir Grünen in naher Zukunft eine Diätenerhöhung planen. Ich persönlich würde dagegen stimmen.