75-jährige Freundschaft: „Wir sind an sich grundverschieden“
Ursel Rose-Nüsse und Annemarie Hütten sind seit 75 Jahren in tiefer Freundschaft verbunden. Sie hielten all die Jahre zusammen und ließen nichts zwischen sich kommen.
Langerfeld. Wenn bei Ursel Rose-Nüsse am 30. September das Telefon klingelt, weiß sie schon wie ihre Freundin Annemarie Hütten sich melden wird: „Happy birthday to you — ich bin jünger als du“ ist die Gratulation, die sie seit vielen Jahren hört. Zwei Tage trennen die beiden Freundinnen, die praktisch seit ihrer Geburt vor 75 Jahren miteinander befreundet sind. „Unsere Familien wohnten damals in der Schwarzbach und unsere Mütter lagen nebeneinander im Krankenhaus“, erzählt Rose-Nüsse. Geboren 1942 in einer Privatklinik am Oberwall spielten sie schon als kleine Mädchen zusammen. „Auf dem Schüren hieß das damals und wir waren keine Engel“, erinnern sie sich und beide haben eine Anzahl alter Fotografien dabei. Gemeinsam ging es in die Grundschule Liegnitzer- und Hügelstraße, geschuldet den baulichen Gegebenheiten nach dem Krieg.
Als der Vater von Rose-Nüsse aus beruflichen Gründen nach Langerfeld zog, wechselte auch seine Tochter Ursel die Schule. „Doch wir haben uns immer besucht und schon damals nicht den Kontakt verloren“, so Hütten. An Streitereien können sich beide nicht erinnern. Nur einmal kam es kurz zum Krach. „Ich war etwa elf Jahre alt und wollte meinen Geburtstag feiern. Aber Annemarie kam nicht. Daher bin ich in die Schwarzbach gegangen. Ihre Eltern waren der Meinung, sie wäre bei mir.“ Hütten nickt und ergänzt schmunzelnd: „Ich bin ins Kino gegangen. Ich weiß auch nicht, was mich da geritten hat.“ Rose-Nüsse zeigt das Geschenk, dass sie damals von ihrer Freundin bekommen hat, eine kleine Sammeltasse gefüllt mit Schokolade. Weder Tasse noch Freundschaft haben Risse bekommen und zahlreiche Erinnerungsstücke liegen auf dem Tisch. Schon im Poesiealbum wird von Freundschaft geschrieben.
Ihre Hochzeit verschlägt Hütten nach 1965 Heiligenhaus. Mit einem Jahr Unterschied werden die Töchter geboren, man trifft sich weiter. Die beiden Damen kommen mit dem Erzählen kaum nach. „Als meine Tochter damals schon die Bravo las, durfte die Tochter von Ursel das noch nicht. Sie war ja ein Jahr jünger. Ich habe Ursel gesagt: ,Nun lass sie doch auch mal gucken’“, erzählt Hütten lachend.
Von gemeinsamen Urlauben der Familien mit dem Wohnmobil nach Holland, denn auch die Männer verstehen sich gut, erzählen sie und es kommen sogar Tränen bei den Gedanken an die schöne Vergangenheit. „Weißt du noch“ und „Kannst du dich noch erinnern“, die lebenslange Vertrautheit ist deutlich spürbar. „Zwischen uns wäre keiner gekommen — auch unsere Ehemänner nicht“ so Rose-Nüsse, die seit einem Schlaganfall im vergangenen Jahr mit einem Rollator läuft und mit ihrem Mann an ihrer Genesung arbeitet. „Ich bin zäh“, sagt sie zuversichtlich. Auch als vor fünf Jahren der damals 18-jährige Enkel von Hütten verstarb. Gerührt war Hütten an ihrem diesjährigen Geburtstag als es Rose-Nüsse mit Hilfe Ihrer Tochter schaffte sie zu besuchen. „Das war nicht einfach, denn Treppensteigen fällt mir momentan sehr schwer“ so Rose-Nüsse.
„Wir sind an sich grundverschieden“, findet Hütten. Vielleicht sei aber gerade das das ein Grund für eine so lange und intensive Freundschaft. „Wir gehen respektvoll miteinander um“ versichern beide und sind sich einig: „Wir haben uns schon immer alles erzählen können, auch das, was wir keinem anderen anvertraut hätten, auch nicht unseren Männern, denn wir wussten, es wird nicht weiter erzählt“ Und Hütten hat noch einen Rat: „Mädchen sollten ihre Freundschaften auch nach der Ehe behalten. Sie ist ein Stück Freiheit.“