Altpapier und Kohlenklau - Barmer Jongs erinnern sich an die Schulzeit
Bei den Erzählrunden im K1-Café werden abenteuerliche Zeiten wieder lebendig.
Wichlinghausen. "Wir sind alle Barmer Jongs" - der Text sitzt immer noch problemlos, keiner der über 20 älteren Herrschaften hier muss passen. Die Wichlinghauser Erzählrunde hat sich im K1 Art-Café zusammengefunden und plaudert über die Schulzeit. Das Konzept stammt von Marie Luise Barkhoff, die solche Runden seit 17 Jahren leitet. Ihr Mann Michael Hoffmann betreibt seit November 2007 das Café mit der künstlerischen Note, und bald schleppten die Menschen ihre Fotoalben an. Die daraus hervorgegangene Erzählrunde war sofort so erfolgreich, dass sie in zwei Gruppen geteilt werden musste.
"Wir haben alle Platt gesprochen - aber das war unfein", erzählt Margarete Schowald in der Runde. In der Familie und in der Schule mussten die Kinder Hochdeutsch sprechen. Zimperlich waren die Pauker in den Kriegsjahren ohnehin nicht. "Wir sind jeden Tag verprügelt worden. Unser Rektor drehte am Ohrläppchen bis kurz vor dem Einreißen", berichtet Horst Inhoffen. Die Vergehen waren gering: Ein bisschen schwätzen oder eine falsche Antwort reichten.
"Das war diskriminierend. Sozial schwache Kinder wurden dafür geschlagen, dass sie kaputte Sachen anhatten und schmutzig waren", erinnert sich Annegret Reuber. Die Barackensiedlung am Klinkholzberg sei so verrufen gewesen, dass ihre Eltern verboten hatten, dorthin zu gehen. Glück hatte damals Siegrid Stickler: Als sie 1946 eingeschult wurde, arbeitete ihre Großmutter in einer Kartonagen-Fabrik. So war sie das einzige Kind ihrer Klasse, das eine Schultüte bekam. "Hefte gab es auch nur gegen Altpapier. Das habe ich dann für die ganze Klasse besorgt, denn wir durften uns in der Fabrik aus dem Altpapierkorb bedienen."
Wenn von der für kurze Zeit eingeführten "Sprechspurschrift" die Rede ist, schlagen die Emotionen hoch. Fast alle Teilnehmer haben auch den Wechsel zwischen Vor- und Nachmittagsunterricht erlebt und sind weite Wege zur Schule gelaufen. Abenteuerlich war es damals auf jeden Fall. "Wenn die Dampflok am Diek hielt, um Wasser zu tanken, sind wir auf den Tender geklettert und haben uns den Rucksack voller Kohlen gepackt", erzählt Günter Kehde. Und Bombenangriffe gehörten sowieso zur Schulzeit.