Bau-Verbot: Eine Fensterbreite am Denkmal-Recht vorbei
Warum an einem Doppelhaus am Hangweg nicht einfach ein Wintergarten für die ganze Familie gebaut werden darf.
Barmen. Die Lotte-Neumann-Siedlung auf Hatzfeld ist ein idyllisches Fleckchen Wuppertal. Die Fachwerkhäuser so schön, dass sie unter Denkmalschutz stehen. Hier ist Jennifer Grävinghoff aufgewachsen und fühlte sich so wohl, dass auch sie mit ihrer Familie hier an den Hangweg zog. Doch hinter den hübschen Fassaden des Fachwerkhauses hat sich eine Menge Ärger aufgestaut.
Der Grund: Die Kinderärztin will für ihre fünfköpfigen Familie einen Wintergarten an dem denkmalgeschützten Haus errichten lassen. Auf der nicht einsehbaren Gartenseite des Doppelhauses am Hangweg 44/46 sollten zwei aneinander grenzende Wintergärten entstehen, denn auch die Nachbarin wollte gern einen so geschützen Platz im Garten haben. Die beiden Hausparteien waren sich einig, beauftragten gar den gleichen Architekten. Doch eines ist Jennifer Grävinghoff und Mann Thomas gleich klar: Der Wintergarten muss so groß sein, dass die ganze Familie an den Tisch passt.
Es ist November 2007, als beide Parteien einen Bauantrag stellen. Am 3. September 2008 kommt es zu einem Ortstermin, bei dem der Vater von Jennifer Grävinghoff, Helmut Henschel, sowie Mitarbeiter des Bau- und Denkmalamtes anwesend sind. Ihr Kommentar: Beide Wintergärten sollen im gleichen Stil errichtet, statt Holz Aluminium verwendet und statt weiß soll alles in grau gehalten werden. "Kein Wort wurde dazu gesagt, dass die Wintergärten nach den eingereichten Plänen unterschiedlich groß werden sollten", berichtet Helmut Henschel.
Im November wurde Henschel, er lebt ein paar Straßen weiter am Buchenring, schließlich erstmals auf Nachfrage vom Bauamt darüber informiert, dass der Bauantrag wegen Bedenken des Denkmalamtes abgelehnt wurde. Begründung: "Für den Erhalt der Gebäudetypologie und des Siedlungscharakters (...) ist zu beachten, eine einheitliche Gestaltung vorzugeben und somit das Gesamterscheinungsbild nicht durch individualisierende Lösungen zu zerstören."
Helmut Henschel will das nicht akzeptieren. Entschlossen greift er zum Hörer, um die Mitarbeiterin des Denkmalamtes zu fragen, ob denn nicht einfach beide Wintergärten größer gebaut werden können. Nein, heißt es von Seiten der Denkmalbehörde, die Größe passe nicht zum Stil des Hauses. Henschel ist irritiert: Gerade mal um eine Fensterbreite unterscheidet sich die Größe. Er verweist auf den eigenen, sehr viel größeren Wintergarten, den er vor zehn Jahren ebenfalls an sein denkmalgeschütztes Haus in der Siedlung hat bauen lassen und hakt weiter nach. Ob es Vorschriften über die exakte Größe eines Wintergartens gebe, will er wissen. "Nein", heißt es abermals von der zuständigen Mitarbeiterin, "es gibt keine Gesetze oder Vorschriften, die verlangen, dass der Wintergarten so klein sein muss. Es gibt auch keine, die verlangen, dass er so groß sein muss, wie Sie es wollen. Ihnen muss es reichen, wenn ich das so will."
Derweil wird am 23. Dezember 2008 der nachbarliche Wintergarten genehmigt. Henschel und sein Anwalt reichen Klage beim Verwaltungsgericht ein, auch Oberbürgermeister Peter Jung wird über den Fall informiert. Doch die Fragen an Bau- und Denkmalamt bleiben unbeantwortet. "Niemand konnte mir begründen, warum auf der Verkleinerung des Wintergartens beharrt wird", ärgert sich Helmut Henschel.
"Die Bauten haben sich dem Denkmal unterzuordnen", hieß es bei der Stadt auf Nachfragen der WZ. Dafür gebe es keine Richtlinie, sondern es werde im Einzelfall entschieden, sagt die Sprecherin der Stadt, Martina Eckermann. Vergleiche zum Wintergarten am Buchenring würden da nicht weiter helfen. Konkret heißt das: Stil-Elemente, die das Denkmal charakterisieren, dürfen nicht überbaut werden. Im Falle des geplanten Wintergartens betrifft das die Fachwerkskonstruktion mit den typischen Abständen. "Ab einer bestimmten Größe des Wintergartens wäre dieser Charakter beeinträchtigt", erklärt Martina Eckermann.
Der angebliche "Zwillingscharakter", der seitens der Behörden immer wieder zitiert wird, weil er einzuhalten sei, ist beim Blick auf das Doppelhaus am Hangweg mehr als fragwürdig: Auf der einen Seite haben die Fenster grüne Schlagläden, auf der anderen nicht. Hier ist die Garage unter einem Balkon im Keller, dort ist die Garage nachträglich neben das Haus gestellt. Hier gibt es ein Vordach über der Haustür, dort nicht. Hier gibt es eine große Dachgaube, dort nicht. Auch die Schornsteine sehen gänzlich verschieden aus. Henschel: "Wer könnte sich da gestört fühlen, wenn der Wintergarten eine Fensterbreite größer wäre als der nebenan? Zumal die Rückseite des Hauses von keiner Seite einsehbar ist."
Viele der Nachbarn von Helmut Henschel interessieren die Ansprüche des Denkmalamtes nicht. Sie lassen einfach bauen und kalkulieren ein entsprechendes Bußgeld mit ein. "Warum hast Du denen auch Bescheid gesagt", fragt ihn eine Frau aus der Siedlung. Das fragt sich Henschel inzwischen auch. Denn auf einen Wintergarten wird seine Tochter wohl noch lange warten müssen.