Wuppertaler Geschichte Ein tragischer Tüftler: Der Entdecker des Anthrax
Erinnerungen an der Barmer Augenarzt und Naturwissenschaftler Aloys Pollender.
Wuppertal. Das angeblich so dunkle 19. Jahrhundert war tatsächlich eine Zeit der gesellschaftlichen, wissenschaftlichen und technischen Modernisierungsprozesse im Zuge der Entwicklung einer kapitalistischen Industriegesellschaft. Im Bereich der Naturwissenschaften, insbesondere der medizinischen Forschung, wurden dabei bahnbrechende Forschungsergebnisse auf den Weg gebracht, die sich mit Namen wie Rudolf Virchow, Robert Koch oder Max von Pettenkofer verbinden.
Weniger bekannt und dennoch höchst bedeutsam war der Barmer Bakteriologe Aloys Pollender, der Entdecker des Milzbranderregers (Anthrax). 1799 als Sohn eines trunksüchtigen Kommunalbeamten geboren, erwarb er sich den Ruf eines tüchtigen Armenarztes mit Praxis in Wipperfürth, blieb ein Leben lang zumeist knapp bei Kasse und endete tragisch.
Das lag nicht zuletzt an seinem großen Herz für die „kleinen Leute“, nach deren Behandlung er gern schon mal auf die Rechnungsstellung verzichtete. Dieser altruistische Mediziner hatte einen ausgeprägten Hang zur wissenschaftlichen Forschung, investierte große Teile seiner Honorare in spezielle Mikroskope, Prototypen des mikrotechnologischen Fortschritts der Zeit und entdeckte schließlich bei mikroskopischen Untersuchungen von Tierkadavern das hochgefährliche Milzbrandbakterium.
Seinen Befund publizierte er 1855 in „Caspers Vierteljahrsschrift für gerichtliche und öffentliche Medizin“. Dieser Beitrag zur damals entstehenden Hygienebewegung und zur Seuchenbekämpfung war enorm, sein Ruhm hingegen blieb überschaubar: Eine Universitätskarriere wurde im von ministerieller Seite verweigert.
Als 70-Jähriger heiratete Pollender schließlich eine 42 Jahre jüngere Fabrikarbeiterin und führt mit ihr eine „morganatische Ehe“. Dafür wird er aus dem Dorf gemobbt und gelangt über Düsseldorf und Brüssel zurück an seinen Geburtsort Barmen. Dort stirbt er 1879, völlig verarmt. Der einzige Sohn folgt ihm noch im Kindesalter ins Grab.