Klimaschutzsiedlung Malerstraße 19 Freunde unter einem Dach — es klappt
In der Klimaschutzsiedlung Malerstraße teilen Nachbarn Garten, Pedelec und Autos. Im Gemeinschaftsraum läuft sonntags „Tatort“.
Nordstadt. Das Leben in der Klimaschutzsiedlung an der Malerstraße ist nichts für Eigenbrödler. Jeder Bewohner der 19 Parteien, die in dem fünfgeschossigen Haus zusammen wohnen, kennt nicht nur den Namen der Nachbarn, er hat auch schon einmal mit ihm im Gemeinschaftsraum gekocht, zusammen bei der Fußball-EM mitgefiebert oder im Foyer gemeinsam gekickert. „Tatort“-Abende am Sonntag, gemeinsame Lesungen, Kochaktionen mit Flüchtlingsfrauen — das Haus gibt sich wie eine große WG mit vielen Ideen.
Ausgedacht hat sich das Ganze Architektin Anja Schacht. Obwohl sich in der Klimaschutzsiedlung viel um klima-effizentes Wohnen mit guter Wärmedämmung und Pellet-Heizung dreht, ist der eigentliche Kern der Projektidee ein sozialer. „Ich wollte eigentlich wieder so wohnen, wie ich das bereits aus der Nordstadt kannte — so dass man unter einem Dach zu Freunden wird“, sagt Schacht. Als das Experiment 2011 begann, waren sich die meisten der Interessanten noch fremd. Um sich zu beschnuppern, fuhr die zusammengewürfelte Baugruppe erstmal für ein paar Wochenenden in eine Jugendherberge. Dort wurden in Workshops auch nach und nach die wichtigen Entscheidungen für den Gemeinschaftsbau ohne Bauträger getroffen. Vom Waschbecken bis zu den Steckdosen musste alles demokratisch abgestimmt werden. „Die Kommunikation war die größte Herausforderung“, blickt Schacht zurück. „Ich musste mit 19 Einzelinteressenten ein Haus bauen.“
Peter und Betti Block haben es nicht bereut, dass sie heute Teil der Klimaschutzsiedlung sind. „Das nachbarschaftliche Wohnen war uns sehr wichtig“, betont Peter Block, der für die WZ spontan seine Wohnungstür öffnete. Er ist begeistert, dass in seinem Haus das generationsübergreifende Wohnen Realität ist. Der jüngste Bewohner ist drei Jahre alt, der älteste 75. „Hier kann man sehr gut alt werden“, sagt Block, der weiß, dass er auf die Hilfe seiner Nachbarn zählen kann.
Die Gemeinschaft an der Malerstraße unterstützt sich im Alltag, wo es möglich ist — und spart dabei Geld. Autos werden verliehen, ein gemeinsames Pedelec gekauft und sogar eine gemeinsame Sauna auf dem Dach ist geplant. Jeder einzelne trägt nur einen Bruchteil der Kosten, hat aber jederzeit den Nutzen.
Gibt es da nie Konflikte im Haus? „Doch natürlich. Das ist ja nicht das Paradies hier“, sagt Margot Nitz-Roelofsen. „Konflikte sind aber nicht das Problem. Die Kunst ist es, damit umzugehen.“ Die Bewohnerin muss es wissen, sie ist Paartherapeutin und hat im Haus ihre Praxis. Meinungsverschiedenheiten werden der Schlichtungsgruppe vorgetragen, wo gemeinschaftlich nach Lösungen gesucht wird.
Demokratisch. So wie es auch in der Gartengruppe, der Kellergruppe, der Verwaltungsgruppe, der Heizungsgruppe, der Kommunikationsgruppe, der AG Gemeinschaftsraum und bei den monatlichen Haustreffen zugeht, bei denen teils bis in die Nacht über die Belange des Hauses diskutiert und abgestimmt wird. Manchmal kann das stressig sein, gibt Schacht zu, doch beim abendlichen Blick von der Dachterrasse auf die Nordstadt ist das wohl schnell vergessen...