Wuppertal Der Bunker, der mal Notfallstudio war
An der Friedrich-Ebert-Straße liegt hinter einer Tankstelle eine alte Stollenanlage. Sie diente nach dem Krieg Obdachlosen als Unterkunft — und später dem WDR.
Elberfeld. Die meisten Autofahrer, die an der Friedrich-Ebert-Straße 304 tanken, ahnen wahrscheinlich nicht einmal, was ein paar Meter neben ihnen im Gestein schlummert. Eine Wand am Berg ist zu sehen, eine kleine Tür. Auf den ersten Blick nichts Spannendes. Oder doch? Wilfried Fischer und Klaus Stein, die Untertage-Fans aus Wuppertal, lächeln. Sie wissen es ja besser. Denn hinter der Tür verbirgt sich der Eingang zu einer mächtigen Bunkeranlage.
Blick in verborgene Welten
Drei Stollen á 54 Meter wurden, vermutlich Anfang der 1940er Jahre, in den Nützenberg getrieben, verbunden durch zwei Querstollen. Die Wuppertaler sollten in ihnen Schutz vor den alliierten Bombern finden. Für 600 Menschen war die Anlage ausgelegt. Vorwärts geht es heute nur mit Taschenlampe. „Das Licht funktioniert nicht mehr“, sagt Fischer. Für wenn auch? In den gut verschlossenen Berg dürfte sich nur selten jemand verirren.
Vom Autolärm der Friedrich-Ebert-Straße ist schon nach ein paar Schritten in den Berg nichts mehr zu hören. Relativ trocken ist es, hier und da ein bisschen Schimmel an der Wand. Je tiefer es reingeht, desto feuchter wird es. „Da gibt es aber weitaus schlimmere Stollen und Bunker“, sind sich Fischer und Stein einig. „Da gehen wir nur mit Atemschutz rein.“ Zig Anlagen haben sie schon unter die Lupe genommen, die WZ unter anderem unter den Paradeberg mitgenommen. „Da ist es schon nasser als hier, oder?“ Damals ging es um die Suche nach Spuren des Bernsteinzimmers. Die Beiden lachen: „Nee, nee, diesmal hat das nichts damit zu tun.“
Was reizt aber an den Gang unter Tage? „Es ist einfach spannend“, erklärt Fischer. Jede Anlage sei irgendwie anders. Auch wenn sie meistens leergeräumt seien, „gibt es immer was zu sehen“. Nein, den einsamen Autoreifen, der in einem Nebenraum liegt, meine er nicht. „Gucken sie sich das mal an“, sagt Fischer und führt in einen Nebengang. Klo reiht sich an Klo, bestimmt 20 Stück. Ein lustiges Fotomotiv. „Keine Angst, die mussten früher aber nicht alle nebeneinandersitzen“, sagt Stein grinsend. „Die Zwischenwände liegen einen Raum weiter.“ Irgendwo soll es auch eine Wendeltreppe nach oben auf den Nützenberg geben. „Die haben wir aber noch nicht gefunden.“
Wofür der Bunker mal genutzt wurde? „So genau wissen wir das gar nicht“, erklären Fischer und Stein. Spuren haben der oder diejenigen jedenfalls nicht groß hinterlassen.
Wilfried Fischer über die Faszination von Bunkern und Stollen
Ein wenig Aufklärung kommt von der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben — dem Eigentümer des Bunkers. „Die Anlage wurde im Jahr 1948 zwischenzeitlich als Unterkunft für Obdachlose und später zeitweise zu Zivilschutzzwecken genutzt“, erklärt Thorsten Grützner der WZ.
Den spannendsten Tipp gibt dann Dirk Trundelberg von der Wuppertaler Feuerwehr, der sich intensiv mit der Geschichte der Wuppertaler Bunker und Stollen befasst hat. „Genau zu diesem Bunker haben wir leider keine Unterlagen“, sagt er. Aber: „Es gibt das Gerücht, dass der WDR dort in Zeiten des Kalten Krieges ein Notfallstudio betrieben hat.“
Offenbar weit mehr als ein Gerücht, wie das Archiv des Westdeutschen Rundfunks in Köln bestätigt. Ende der 1980er Jahre suchte der Sender einen neuen Standort für seinen „Radio-Bunker“, da der bisherige in der Kölner Innenstadt nicht mehr den Ansprüchen genügte. Diese Notfallstudios sollten im Katastrophen- oder Kriegsfall der Bevölkerung „lebenswichtige Informationen“ geben.
Auch heute noch ein heikles Thema: Die Unterlagen von damals sind zum großen Teil Verschlusssache. Damit das Archiv überhaupt Auszüge an die WZ weitergeben durfte, musste WDR-Intendant Tom Buhrow erst einmal grünes Licht geben. Vertrauliche Akten — mit dem Vermerk „Nur für den Dienstgebrauch“ — zeigen, dass damals die Stollenanlage in Wuppertal ins Spiel gebracht wurde. 1988 gab es eine Besichtigung des Bunkers — der allerdings nur als bedingt tauglich angesehen wurde. „Ein Schutz ... gegen Angriffe auf die Versorgungseinrichtungen ist schwierig, wenn nicht gänzlich unmöglich“, heißt es in den Akten. Trotz dieser kritischen Einschätzung sei er aber „einige Zeit als Notstudio betrieben“ worden, so Buhrow in einer E-Mail an die WZ.
Wann genau und wie lange, darüber gibt es keine Infos — zumindest werden sie nicht weitergegeben. Und Hinweise im Bunker gibt es auch nicht. Am ehesten noch die vielen, relativ neu aussehenden und gepflegten Versorgungsleitungen. Doch auch sie verschwinden im Dunkel, als Fischer und Stein ihre Taschenlampen ausmachen und ins Freie steigen.