Ulla Bluhm nimmt Abschied von der Schule
Nach insgesamt 39 Jahren am Nützenberg geht die Schulleiterin in den Ruhestand. Und hat in ihrer Dienstzeit viele Veränderungen beobachtet.
Nützenberg. Der Tisch in ihrem Büro ist noch voller Geschenke, gebastelt von den Kindern und zum Abschied überreicht. Denn Ulla Bluhm, langjährige Leiterin der Grundschule Am Nützenberg, hat ihren letzten Schultag hinter sich: Sie geht in den Ruhestand.
Ihr ganzes Lehrerinnen-Leben lang hat sie an der Nützenberger Straße unterrichtet. Das sei nicht langweilig, betont sie. Ihr habe die Schule gefallen, weil sie Kinder aus bildungsnahen und bildungsfernen sowie aus Migrantenfamilien besuchen. „Das macht die Arbeit spannend“, sagt Ulla Bluhm. „Die Kinder lernen voneinander.“ Das respektvolle Fragen nach den Lebensweisen in anderen Familien, „das gelingt hier gut“, sagt sie.
Dass sie Lehrerin werden wollte, hat sie früh gewusst: Schon als Schülerin hatte sie viel Spaß daran, Nachhilfe zu geben. Und später genoss sie das Unterrichten: Grundschulkinder seien noch so neugierig und begeisterungsfähig. „Es ist so spannend zu sehen, wie sie sich entwickeln.“ Schön sei zudem das Vertrauen der Schüler. Viele hätten sie auch nach der Grundschulzeit noch besucht.
Sie war immer sehr engagiert, im Lehrerrat, in der Gewerkschaft. „Das ist mein Naturell“, sagt Ulla Bluhm lachend. Schon als Kind habe sie einen ausgesprochenen Gerechtigkeitssinn gehabt. „Und Visionen, wie ich Dinge gern hätte. Ich wusste, dass man etwas dafür tun muss.“
Zur Bewerbung für die Schulleitung hätten Kollegen sie gedrängt. Sie zögerte: „Ich wusste nicht, ob ich die Verantwortung will. Aber dann hatte ich wieder so eine Vision: dass Schulleitung konsequent und transparent sein sollte.“ Also hat sie sich beworben und sich nach der Ernennung an die Umsetzung ihrer Vision gemacht. Sie kann unendlich erzählen von Projekten und Aktivitäten der Schule, von der Leseförderung und von Festen, von den Aufgaben der Inklusion und der Zusammenarbeit mit den Eltern.
Was sich verändert hat in den Jahren? Ulla Bluhm nennt die wachsenden Erwartungen der Eltern an Schule, die sinkende Aufmerksamkeitsspanne der Kinder. Im Unterricht spielten selbstständiges Arbeiten wie das Recherchieren sowie die individuelle Förderung durch Aufgaben auf verschiedenen Niveaus eine immer größere Rolle.
Wichtig war ihr die Partizipation — dass die Kinder mitreden dürfen. Sie hat an der Schule ein Kinder-Parlament gegründet, in dem je zwei Vertreter pro Klasse alle drei Monate zum Beispiel darüber entscheiden, wie die Toiletten sauber bleiben können und wie der Schulhof gestaltet wird.
Zum Schluss fällt ihr noch etwas Wichtiges ein: „Der Umgang mit Fehlern ist viel positiver geworden.“ Heute versuche man zu verstehen, was sich das Kind gedacht habe. „Dadurch fühlen sich die Kinder nicht mehr so schlecht.“ Dazu zähle auch, dass Bewertungen nicht einfach eine Einstufung nennen, sondern aufzeigen, was ein Kind kann und in welchem Bereich es noch üben muss. „Damit können wir Versagensängste minimieren.“
Für die Schulen der Zukunft wünscht sie sich: Klassengrößen von 21 bis 23 Kindern, mehr Lehrer, einen höheren Schulbuchetat. Und mehr Ganztagsschulen: Dann könnte der Stoff über den ganzen Tag verteilt werden. „Unsere Gesellschaft verändert sich. Es sollte das Angebot der Ganztagsschule für alle geben.“
Wie ihre eigene Zukunft aussehen wird, weiß sie noch nicht genau. Erst einmal steht Urlaub an. Und dann wird sie sehen, wie sie ihre Zeit verwendet. „Ich muss erstmal fühlen, wie das ist.“ Sie will wieder Sport treiben, viel lesen, Zeit mit ihrem Mann verbringen, sich vielleicht ein soziales Projekt suchen, in dem sie sich engagiert. Eins weiß sie aber schon: „Es wird mir fehlen, dass die Kinder morgens auf mich zulaufen und mich fragen: ,Wie geht es dir?’“