Eine vergessene Sensation aus der Ronsdorfer Kirchen-Geschichte
Ein lange verschollenes Manuskript aus der Frühzeit der reformierten Gemeinde liegt jetzt in neuer Abschrift für Forscher vor.
Ronsdorf. Ob Heiliger Gral oder Vermächtnis der Templer, der Mensch ist offen für die Schatzsuche, auch wenn sich die Funde nicht im tatsächlichen Sinne versilbern lassen. Zwei historische Funde von eher ideellem Wert machte der ehemalige Ronsdorfer Pfarrer Günter Twardella. Aus dem ersten wurde schon 2006 ein Buch: "1735, die Zeit der Freimachung ist da". Der Titel klingt nach einem Geheimnis, verbunden mit der Gründung der reformierten Gemeinde Ronsdorf im Jahre 1741 durch die Sozietät um das Ehepaar Anna und Elias Eller.
Grundlage für das Buch war eine 72 Seiten starke Handschrift, die Twardella bei einem Hausbesuch entdeckt und hernach transkribiert hatte. Eine echte kirchengeschichtliche Sensation ist der zweite Schatz, den Twardella am Sonntag im Gemeindehaus der Evangelisch-reformierten Gemeinde Ronsdorf vorstellte. Es handelt sich um eine Holzkiste, deren wichtigster Inhalt ein gut 500 Seiten starkes Buch ist. Sein Titel: "Ein Manuscript auß einem Manuscript welches mir P. P. Wülffing zugesandt worden vom P. D. Schleyermacher von ihm eigenhändig geschrieben".
Der Hintergrund des Fundes: Lange schon konzentriert sich die lokale Geschichtsforschung auf eine "Hirtentasche", von der erstmals 1860 der Kirchenhistoriker Max Goebel sprach. Nach seiner Darstellung hatte Ronsdorfs Gründer Elias Eller in einem so betitelten Buch die Visionen seiner Frau Anna von der Wiederkehr Christi niedergeschrieben und diese Texte um Ereignisse aus dem Tagesgeschehen der reformierten Gruppierung ergänzt. Das Original gilt als verloren.
Gleichwohl deuten Überlieferungen darauf hin, dass zumindest eine Abschrift oder Fortsetzung der Hirtentasche existiert. Unter Ronsdorfern wurde mitunter das Haus Rauner an der Kurfürstenstraße als ein möglicher Aufbewahrungsort gehandelt, weil hier in besonderer Weise alte Traditionen gepflegt wurden. Sogar eine "Zionsmutter" - das war in der Sozietät der Titel von Elias Ellers Frau Anna - soll es in der Familie Rauner noch lange gegeben haben.
Am 20. April 2008 erhielt Twardella aus deren Nachlass jene Holzkiste mit dem Manuskript, das offenkundig eine Abschrift von Teilen der Hirtentasche darstellt. Twardella sieht in der Kiste eine Art Bundeslade, die in Nachahmung alttestamentlicher Traditionen das Schrifttum des Kreises um Eller enthielt. Auf einem beigefügten Zettel ist die eindringliche Bitte formuliert, den Inhalt und die Existenz des Buches geheim zu halten.
Das Schweigegebot würde sich daraus erklären, dass der Zirkel um Eller schon früh im Fokus heftiger Kritik stand. Wer in den Kreis eintrat, erhielt gar einen neuen, geheimen Namen. Dabei enthält das Buch, das Twardella nun in einer Auflage von 14 Exemplaren für Archive und Forscher vorlegt, nach seiner Aussage vor allem religiöse Sprüche "in ermüdender Monotonie" sowie Tagebucheintragungen aus den Jahren 1735 (Geburt des Sohnes Benjamin Eller) bis 1743 (Tod der Mutter Anna).