Kultur Statt Wuppertaler Orgeltagen virtueller  Frühjahrszyklus im Netz 

Wuppertal · Wolfgang Kläsener hat drei Konzerte an der Sauerorgel der Historischen Stadthalle eingespielt. Die sind ab sofort kostenfrei im Netz abzurufen.

Helga Günter (l) und Norbert Brenken (Mitte) haben Wolfgang Kläsener (r) bei der Aufnahme des „Karnevals der Tiere“ unterstützt.

Foto: Johannes Vesper

Der Lockdown und damit das Verbot für Konzertbesuche sind ein harter Schlag - auch für die Wuppertaler Orgeltage. Das letzte große Konzert in der Historischen Stadthalle Wuppertal spielte Lang Lang im März 2020. Viele Stornierungen später mussten der Orgel-Akzent mit der vortrefflichen Iventa Apkalna im Januar als auch weitere Präsenz-Konzerte im Februar abgesagt werden; und das im Jahr der Orgel, die schon seit 2017 zum Weltkulturerbe gehört.

Vor Weihnachten hatte Wolfgang Kläsener, künstlerischer Leiter des Freundeskreises‭ der Orgeltage, einen virtuell-digitalen Orgeladventskalender erstellt. Diese täglichen fünf Minuten wunderbarer Orgelmusik auf der großen Stadthallenorgel bildeten kleine Höhepunkte im Advent. Vorlage für den virtuellen, dreiteiligen Frühjahrszyklus, den er nun eingespielt hat und im Internet kostenlos anbietet.

Damit wurde die große Sauerorgel nach dem Einbau neuer elektronischer Technik zum Setzen und Koppeln der 69 Register und ihrer Kombinationen erstmals konzertant gespielt. Das Prunkstück in der Stadthalle ist die jüngste und größte Orgel Wuppertals. Einem Mäzen zu verdanken, der auch die jetzt erforderliche elektronische Aufrüstung ermöglichte.

Das 1. Konzert „Toccata“ wird mit dem Jugendwerk Johann Sebastian Bachs (1685-1750) eröffnet, seiner großen und herrlichen Toccata und Fuge d-Moll BWV 565. Das rhapsodisch hinabstürmende Kopfmotiv wird vielfältig frei variiert, immer wieder türmen sich mächtige Akkorde auf. In der zunächst fast kammermusikalischen Fuge werden alle Facetten des Motivs spielerisch ausgebreitet. Orgelpunkte, Trugschluss, einander ablösende Akkordfolgen mit vollem Werk, zuletzt ernste Kadenzen führen zum unerbittlichen Schlussakkord in Moll. 

Anders durch Tonarten und Tonalität wandernd, stürzend, schließt sich Max Regers (1873-1916) Toccata d-Moll Op. 59 Nr. 5 mit starken dynamischen Kontrasten an, bevor sie nach stürmischen Arpeggien trotz allem zuletzt in strahlendem Dur endet. Schließlich bietet Charles Marie Widors (1845-1937) flotte, bekannte Toccata F-Dur (Op. 42 Nr. 5) aus der 5. Orgelsinfonie ohrwurmartig über mächtigem Doppelpedal die ganze Fülle französischer Spätromantik.

Im 2. Konzert (Karneval der Tiere) wird zwar nicht rheinisch, aber immerhin entsprechend der Jahreszeit gefeiert. Hier „pfeifen, brüllen, flöten seufzen, grillen“ oder tanzen (Fossilienballett), u.a. Hühner, Elefant, Esel, Känguru, natürlich der mutige Löwe, die Schildkröten und viele andere Tiere lautmalerisch musikalisch, wobei Camille Saint-Saens (1835-1921) vor keiner musikalischen Anspielung und keinem Zitat zurückschreckte. Helga Günter und Norbert Brenken lesen dazu von rotem Sofa aus zwischen den Auftritten der Tiere den humorvollen Text von Albrecht Gralle. Ein besonderes Vergnügen für differenziertere Karnevalisten.

Ein besonderes Vergnügen für differenziertere Karnevalisten

Das 3. Konzert Passion & Ostern beginnt mit dem besinnlichen Orgelvorspiel Johann Sebastian Bachs aus seinem Orgelbüchlein: „Ich ruf zu dir, Herr Jesu Christ“ (Op. 639). Von Bach gläubiger Gelassenheit ist 200 Jahre später zwischen den Weltkriegen bei Jehan Alain (1911-1940) nichts mehr zu spüren. Er wurde als Kradfahrer der französischen Armee im Zweiten Weltkrieg erschossen. Seine Gebete (Litanies) von 1925 spiegeln die seelische Verzweiflung. Dazu hat er selbst geschrieben: „Ein Gebet ist keine Klage, sondern ein Tornado der alles…hinwegfegt“. In den anschließenden Zaubersprüchen für einen heiligen Tag („Incantation pour un jour saint“ reflektiert der blinde Komponist und Organist Jean Langlais akkordisch dissonant das starke Unisono-Motiv des Anfangs: fallende kleine Terz nach dreimal f´-das letzte ausgehalten. Die ernsten Worte enden versöhnlich in strahlendem D-Dur, welches bereits auf das Osterfest hinweisen mag.

Endlich beschließt der souveräne, ausdrucksstarke wie virtuose W. Kläsener mit Georg Friedrich Händels „Halleluja“ diesen leider nur virtuellen Reigen vorzüglicher Orgelmusik in technisch beachtlicher Qualität. Kein Ersatz, aber jeweils 15-20 Minuten Meditation und Trost in dieser dunklen Zeit von durch Corona erzwungener Orgel- und Kulturferne.