Studenten gestalten den Holocaust-Gedenktag
13 angehende Historiker arbeiten mit Ulrike Schrader von der Begegnungsstätte Alte Synagoge zusammen.
Wuppertal. Eine erste Schulklasse aus den 30er Jahren: Brave Jungen mit Hemdkragen, niedliche Mädchen mit Haarschleifen. Erst auf den zweiten Blick fällt der Spruch auf, der in Schreibschrift an der Rückwand zu sehen ist: „Alles Unheil kommt vom Juden“. Mit diesem Bild will Felix Theusner (25) deutlich machen, wie früh Kinder mit nationalsozialistischem Gedankengut beeinflusst wurden. Er ist einer der Studenten, die in diesem Jahr die städtische Veranstaltung zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus am 29. Januar gestalten.
13 angehende Historiker arbeiten mit Ulrike Schrader, Leiterin der Begegnungsstätte Alte Synagoge, derzeit daran, mit kurzen Vorträgen den Blick auf verschiedene Opfergruppen zu lenken und dabei einen Bezug zur Gegenwart herzustellen. Gleichzeitig beschäftigen sie sich mit der Erinnerungskultur selbst, fragen, welche Rolle sie heute spielt, wie sie auch instrumentalisiert werden kann, was sie für junge Leute bedeutet. Roter Faden ihrer Vorträge wird sein, Bilder als Aufhänger zu nutzen.
Felix Theusner will einerseits zeigen, wie allgegenwärtig die Ideologie der Nationalsozialisten im Schulsystem war, anderseits darauf hinweisen, dass als Konsequenz aus der Erfahrung mit dem Nationalsozialismus die Erziehungsziele der heutigen Schule ganz andere sind — Mündigkeit, Aufklärung, Offenheit, friedliche Gesinnung.
Was für ein Bild sie für die Gruppe der angeblich „Asozialen“ nehmen soll, hat Dana Thiele (26) lange überlegt und festgestellt: „Man kann kein Bild nehmen, ohne wieder zu stigmatisieren.“ Also wird ihr Bild einfach ein Lexikon-Eintrag zu „asozial“ sein. Und sie will die Aufmerksamkeit darauf lenken, welche Gruppen heute ausgegrenzt werden.
Ihre Kommilitonin Sibel Koc (24) wird ein Foto zeigen, auf dem auf einer Wiese eine Sinti-Frau untersucht wird, ihr Kopf vermessen wird. Sie finde das Bild besonders perfide, weil die Landschaft so idyllisch sei, erklärt sie.
Ein Bild zeigt einen Koffer - fotografiert in der Ausstellung in Auschwitz. Der Koffer zwischen vielen anderen Koffern und Körben ist dank der Beschriftung als der von Anneliese Cohn aus Wuppertal erkennbar. Christoph Beicht (29) hat das Bild ausgewählt, weil mit der Beschriftung plötzlich ein Bezug zwischen der abstrakten Information über Auschwitz und einem konkreten Menschen hergestellt ist: „Sie hat hier gewohnt, hatte ihre Familie und ihre Heimat.“ Der lokale Bezug sei ein guter Ansatz, sich mit historischen Ereignissen zu beschäftigen.
Für die Studierenden ist es eine Herausforderung, ihr Wissen in kurze Vorträge zu packen — „drei Minuten sind nicht viel“ — , die bei den Gästen der Veranstaltung ankommen. „Wir wollen einen emotionalen Zugang verschaffen“, erklärt Franz-Philipp Rutz (26). Bastian Steinhauer (24) betont: „Uns ist wichtig, nicht nur ein leeres Gedenken zu vollziehen, sondern es mit Leben zu füllen.“ Deshalb sei der Bezug zur Gegenwart wichtig. Er wird eine Collage mit Bildern von Opfern neonazistischer Gewalt zeigen, darunter auch eins des Wirts, der 2015 von einem Mitglied der Hogesa-Szene vor dem Autonomen Zentrum niedergestochen wurde.
Die diesjährige Veranstaltung der Stadt zum Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus findet am Sonntag, 29. Januar, 16 Uhr, in der Evangelischen Citykirche Elberfeld, Kirchplatz, statt. Es sprechen die Studierenden sowie Oberbürgermeister Andreas Mucke und Lambert T. Koch, Rektor der Bergischen Universität.