Studenten putzen für ihren Glauben

Seit 130 Jahren bildet das Johanneum in Barmen evangelische Theologen aus. Praktische Arbeiten sind Teil des Lehrplans.

Wuppertal. Sogar während der Sommerferien müssen die Studenten putzen. Das hölzerne Treppengeländer muss gründlich geschrubbt werden und der Parkettboden in den Seminarräume glänzt inzwischen wieder. Auch nach 130 Jahren gehört die Beteiligung der Studierenden an der Instandhaltung des Gebäudes zum Konzept der Evangelistenschule Johanneum. Bezahlte Reinigungskräfte gibt es nicht. Und so wienern die 45 Männer und Frauen, die derzeit an der Melanchthonstraße studieren, nicht kurz vor dem Jubiläum ihre Schule.

Foto: Anna Schwartz

Am 21. Oktober 1886 wurde das Johanneum als Ausbildungsstätte für Theologen eröffnet. War die Schule zunächst noch in Bonn, zog sie 1893 nach Barmen in der ehemaligen Villa von Rappard nebst Neubau. „Barmen galt damals als besonders lebendige Gemeinde“, weiß Burkhard Weber. Seit 30 Jahren unterrichtet der Pfarrer am Johanneum. Seit 21 Jahren ist er dessen Direktor.

Über die Historie seiner Schule hat er viel zu berichten. Eine Fotogalerie im Foyer der Ausbildungsstätte für angehende Diakone, Jugendleiter oder Prediger belegt die Geschichte. Einige Bilder zeigen die Gebäude des Johanneums am alten Standort am Carnap, bevor es 1965 der Autobahn weichen und zur Melanchthonstraße umziehen musste. Seit 2007 gehört der Klingelhollhof zum Campus.

Andere Aufnahmen zeigen die ersten Absolventen. Wobei man kaum glauben kann, dass diese streng drein blickenden Herren tatsächlich ihre Berufung gefunden haben. Und doch: Wer einen Platz im Johanneum erhält, hat sich ganz bewusst für eine Laufbahn in der evangelischen Kirche entschieden und ist bereit, neue Wege einzuschlagen.

„Uns ist der Praxisbezug sehr wichtig“, sagt Weber. Deshalb gehörten handwerkliche Arbeiten und Putzen zu den Aufgaben der Studierenden. „Wer mal in der Jugendarbeit tätig werden will, der sollte auch einen Gruppenraum putzen oder tapezieren können.“.

Unterstützung erhalten die Männer und Frauen von Hausvater Radek Geister. Der gelernte Bankkaufmann aus Traunstein hat selbst vor zwei Jahren seinen Abschluss an der Evangelistenschule gemacht. „Ich habe nach meiner Ausbildung in der Bank sogar in diesem Beruf gearbeitet, wusste aber immer, dass ich eigentlich in der Gemeinde tätig sein will.“ Aus seinem Ehrenamt machte er deshalb — wie viele Studierende am Johanneum — eine zweite Ausbildung und zog dafür gern von Bayern nach Wuppertal.

Von der Evangelistenschule hatte Radek Geister beim CVJM gehört und war von dem Konzept begeistert: „Das ist einmalig: Das Leben mit anderen teilen und dabei lernen.“

Denn darum geht es in der kleinen Ausbildungsstätte: Gemeinschaft. Alle essen, beten und lernen gemeinsam. Die sechs Dozenten kennen alle Studierenden persönlich. Deshalb werden pro Jahrgang nur 15 neue aufgenommen, die vor ihrer Bewerbung eine Woche „auf Probe“ in das Internat ziehen. Entscheiden sie sich für eine Bewerbung, prüft ein 20-köpfiges Gremium, wer ausgewählt wird.

Seit 1992 werden auch Frauen zugelassen. Vermehrt kommen Menschen aus aller Welt in die Evangelistenschule. „Voraussetzung ist aber, dass sie sehr gut Deutsch können. Denn sie müssen zum Beispiel Texte aus dem Alt-Griechischen ins Deutsche übersetzen“, erklärt Burkhard Weber. Im Herbst, wenn der Unterricht wieder anfängt, erwarten sie einen jungen Mann aus dem Irak sowie einen aus Syrien und eine Frau aus Aleppo, dem Kriegsgebiet von Syrien.

Damit sich alle das Studium am Johanneum leisten können, obwohl die Schule keinerlei Finanzierungshilfen von Staat oder Kirche erhält, gibt es einen Freundeskreis. „Wir setzen weiter auf dieses Konzept der Spenden, da es funktioniert“, sagt der Direktor. Deshalb blickt er zuversichtlich in die Zukunft. Denn die Berufschancen für die Absolventen seiner Schule waren noch nie so gut wie heute: „Auf 15 Bewerber kommen 100 Stellen. In welchem anderen Beruf hat man das schon?“