Studium 2011 in Wuppertal: Ohne Job kaum zu finanzieren
An keiner NRW-Uni jobben so viele Studenten wie in Wuppertal. Für manche geht es um die Existenz, für andere um ein paar Extras im Leben.
Wuppertal. Er ist gerade auf dem Sprung. Eigentlich ist Nico Grahl das fast immer. Uni, Arbeit, Arbeit, schlafen, Arbeit. Dazwischen ein bisschen Leben, vielleicht ein bisschen Party. Der 32-jährige Student hat drei Jobs. Die braucht er, um sich sein Studium leisten zu können. Wie geht das? „Der Körper gewöhnt sich an alles“, lautet seine nüchterne Antwort.
Wenn in gut zwei Wochen an der Bergischen Uni das Semester beginnt, werden etwa 14 300 Studenten an der Bergischen Uni studieren (siehe Kasten) — 84 Prozent von ihnen verdienen sich Geld in Nebenjobs dazu. Das ergab eine aktuelle Erhebung der Arbeitsgemeinschaft der Studentenwerke in NRW. Mit diesem Wert ist Wuppertal Spitzenreiter. Auf Platz zwei und drei liegen die Kölner und Dortmunder Studenten. Hier jobben 79 beziehungsweise 76 Prozent der angehenden Akademiker.
Um die Kosten für den Lebensunterhalt und die Studiengebühren aufzubringen, arbeitet Nico als Nachtwache in einem Wohnheim des Blauen Kreuzes, betreut tagsüber Förderschüler im offenen Ganztag und ist beim Jugendamt als Honorarkraft tätig. „Ich weiß ja, wofür ich das tue“, sagt der gelernte Kaufmann. „Den Job möchte ich nie wieder machen müssen.“ Seine Eltern können ihn nicht unterstützen. Mittlerweile ist er im 14. Semester.
Im Freundeskreis werde er deswegen immer wieder schief angeguckt. „Immer noch am Studieren?“ Es ist ein Dilemma. „Ich kriege kein Bafög mehr, also muss ich viel arbeiten. Aber je mehr ich arbeite, desto weniger Zeit bleibt für die Uni.“ So verstreichen die Semester.
Nico ist kein Einzelfall. Doch nicht bei allen geht es direkt um die Existenz. Auch viele Studenten, die von ihren Eltern unterstützt werden, jobben. So wie Kathrin Nießen. Sie kellnert in der Uni-Kneipe. „Für die Extras“, wie sie sagt. Ausgehen, reisen, das Auto unterhalten.
Denn im Durchschnitt zählen Wuppertaler Studenten — nicht bei den Eltern wohnend, im Erststudium, ledig — nicht zu den Ärmsten. Sie verfügen im Monat durchschnittlich über Einnahmen in Höhe von 865 Euro. Im Bundesdurchschnitt sind es 812 Euro. Allerdings muss jeder vierte Student in Wuppertal mit weniger als 648 Euro auskommen, das ist der Bafög-Höchstsatz. Das reicht also bei 3600 Studenten fürs Nötigste.
Damit auch mal mehr als das drin ist, schiebt Kathrin Nießen (23) zwei- bis dreimal die Woche die Schicht von 18 bis 23 Uhr in der Kneipe auf dem Campus. Für sie der perfekte Job: An Wochenenden und Feiertagen habe man immer frei und auch mit dem Stundenplan lasse sich der Job gut vereinbaren. „Vorlesungen sind ja eh meist tagsüber.“
Kathrin studiert Sport und Physik auf Lehramt. Fast jeder in ihrem Bekanntenkreis arbeite neben der Uni. Das sagt auch Nico. Er will im kommenden Winter sein Lehramts-Studium abschließen. Arbeiten, schlafen und dazwischen leben.