Tagesmutter: „Mein Beruf ist nicht nur Hobby“
Die Tagesmutter Heike Kocherscheidt betreut fünf Kinder in ihrem Haus am Rande Dönbergs. Sie zeigt der WZ den Alltag ihres Beruf.
Leo zieht an der Schublade. „Das ist meine, die ist ,nein’ — hier drüben sind Sachen für euch drin“, erklärt ihm Heike Kocherscheidt. Jonas schiebt sich genüsslich ein Stück Melone in den Mund, während Julia ausprobiert, was passiert, wenn man eine Melonenscheibe auf den Boden wirft. Geduldig und fröhlich hat Heike Kocherscheidt ihre Augen überall gleichzeitig, lenkt die Aktivitäten der Einjährigen, tröstet, benennt Gegenstände und Tätigkeiten, ermuntert.
Fünf Kinder betreut die Tagesmutter in ihrem Häuschen am Rande Dönbergs von frühmorgens bis nachmittags. Und es ärgert sie, dass der Beruf der Tagesmutter häufig als eine Art Hobby wahrgenommen wird. „Meine Kolleginnen und ich leisten einen wichtigen Beitrag für die Gesellschaft, damit die Kleinsten sich in einem guten, liebevollen und sicheren Umfeld entwickeln und die Eltern ohne Sorge zur Arbeit fahren können“, betont sie. Dafür hat sie erst die Ausbildung zur Tagesmutter absolviert und danach regelmäßig Fortbildungen zu unterschiedlichen Themen besucht.
Das ganze Haus ist auf die Bedürfnisse der Kleinkinder ausgerichtet: Ein mit Matten ausgelegter Raum dient als Schlafzimmer, einer als Spielzimmer. Am Esstisch stehen fünf Hochstühle, vor dem Haus die Karre mit den sechs Sitzplätzen. Um 6.30 Uhr werden die ersten Kinder gebracht, um 15.30 Uhr die letzten abgeholt. Im Moment kommen anschließend noch die neuen zur Eingewöhnung. Denn die meisten Kinder bleiben nur ein Jahr bei ihr — ab dem 13. Monat, bis sie zwei Jahre alt sind. „Viele Eltern würden ihre Kinder lieber länger bei mir lassen — aber dann bekommen sie keinen Kindergartenplatz mehr“, erklärt Heike Kocherscheidt ein weiteres Problem. Also muss sie jedes Jahr neue Einjährige an die Abläufe ihrer Gruppe gewöhnen.
Deshalb wundert es sie nicht, dass von den einmal ausgebildeten Tagesmüttern viele abspringen. „Wer eine etwas kleinere Wohnung hat, darf oft nur drei Kinder gleichzeitig betreuen — das macht dann 8,10 Euro pro Stunde, weniger als den Mindestlohn!“ Zudem gebe es wenige 45-Stunden-Verträge. Die meisten Eltern bevorzugen 30 oder 35 Stunden Betreuung für die Kleinen. Selbst wer also fünf Kinder betreuen darf, kommt bei 30-Stunden-Verträgen gerade einmal auf 1620 Euro brutto im Monat.
Die sechs Wochen Urlaubsanspruch werden mit Krankheit verrechnet. Wer sich also beispielsweise ein Bein bricht und längere Zeit ausfällt, darf in diesem Jahr keinen Urlaub mehr nehmen. Überhaupt liegen bei Tagesmüttern — wie bei allen Selbstständigen — alle wirtschaftlichen Risiken bei ihnen.
Deshalb fordert Heike Kocherscheidt eine Erhöhung der städtischen Pauschalen. „Wir Tagesmütter kosten die Stadt sowieso viel weniger als ein Kindergartenplatz.“
Gleichzeitig sei die Verantwortung hoch in ihrem Beruf: „Die Kinder lernen bei uns laufen, essen, sprechen, sich an- und ausziehen, Körperhygiene, soziale Kompetenzen und Bindungsfähigkeit.“ Die Tagesmutter begleitet die Kinder in einer wichtigen Phase ihres Lebens, die sie stark prägt, und gibt den Eltern Tipps. Wenn dann die Kinder so fröhlich und zufrieden durchs Haus wuseln wie bei Heike Kocherscheidt, können sich Eltern und auch die Stadt nur freuen.