Teacher Training — Studenten begegnen anderen Realitäten

Im Kinderhaus Luise Winnacker arbeiten angehende Lehrer mit auffälligen Kindern, um für den Schulalltag gewappnet zu sein.

Foto: Anna Schwartz

Heute ist es nass und kalt. Deshalb bleiben die Schüler der Förderschulklasse heute in den Räumen des Kinderhauses. Hier ist es zwar auch kalt, aber das scheint den 17 Jungen nichts auszumachen. Sie rennen durch das Haus und spielen verstecken. Jeder Raum wird zum Versteck — auch wenn er nicht dafür geeignet ist, wie etwa der Wandschrank mit den Arbeitsmitteln.

Wuppertaler

Schulzeit

Dass es nicht drunter und drüber geht, dafür sorgen auch zwei Lehramtsstudenten, die neben den beiden Lehrern der Förderschule im Kinderhaus Luise Winnacker arbeiten. Christoph Mühlhaus und Pauline Halbe kommen jeweils ein Mal in der Woche in den Rutenbecker Weg, um sich auf ihr Berufsleben vorzubereiten. „Normalerweise gehen wir mit den Jugendlichen raus, da der Fokus eher hier auf Erlebnispädagogik als auf dem Unterricht liegt“, sagt Pauline Halbe. Die zierliche Studentin trägt Doc Martins und ist mit ihren 20 Jahren kaum älter als die Schüler, die sie betreut.

In einer Gruppe musste sie sich zunächst Respekt verschaffen. „Die Jungs haben versucht, mit mir zu flirten“, erzählt sie. Erst nachdem sie ihnen deutlich gemacht hat, dass sie das nicht möchte, nahmen die Jungs sie ernst. Insgesamt hat sie eher positive Erfahrungen mit den Schülern im Kinderhaus gemacht. „Im Unterricht fallen sie häufig negativ auf. Hier haben sie die Möglichkeit, zu zeigen, dass sie etwas können“, sagt Pauline, die auch mit den Schülern näht. Die Jugendlichen seien für alles dankbar, was man ihnen zeigt.

Die Schüler kommen aus Förderschulen für Kinder mit emotional-sozialen Problemen. Das heißt, erziehungsschwierige, auffällige Kinder. „Das Studium ist sehr theorielastig. Die Studenten werden dann in eine Schulrealität katapultiert, der sie nicht gewachsen sind“, erklärt Lieselotte Winnacker-Spitzl, die erste Vorsitzende des Vereins Kinderhaus Luise Winnacker den Ansatz des Teacher Training. Im Kinderhaus werden die Lehramtsstudenten mit Kindern und Jugendlichen aus schwierigen Verhältnissen konfrontiert, die ihnen auch im Schulalltag begegnen können.

„Die Kinder, die hier hinkomen, erfahren Gewalt, werden zum Klauen losgeschickt, erleben Missachtung. Für sie ist das Leben eine ständige Herausforderung“, sagt Winnacker-Spitzl. Die Kinder seien absolut benachteiligt: familiär, sozial und schulisch. Daher seien die Tage im Kinderhaus eine große Entlastung. „Die Kinder leben meist in sehr beengten Verhältnissen, in denen sie quasi explodieren müssen“, sagt Winnacker-Spitzl. Im Kinderhaus, das einen großen Freiraum biete, könnten sie sich selbst einmal anders erleben. Auch die Lehrer profitierten davon, weil sie die Kinder ganz anders erleben, sowohl leistungs- als auch lernbereiter.

„Im Studium sammelt man wenig Praxiserfahrung, deshalb ist das ein guter Nebenjob für das Studium“, sagt Christoph Mühlhaus, der seit eineinhalb Jahren im Kinderhaus arbeitet. Bereits während des schulischen Praktikums habe er gemerkt, dass ihm der Umgang mit Kindern leicht fällt und wie man mit ihnen redet, damit sie einem zuhören. „Ich habe selten das Gefühl, dass etwas schiefgehen kann“, sagt er. Die Kinder hätten einen unglaublichen Überlebensinstinkt. Wenn sie weglaufen, bräuchten sie Abstand, wollten aber selten sich und andere dadurch gefährden. Auch wenn Christoph Mathe und Sport in der Sekundarstufe II unterrichten wird, wird ihm die Erfahrung aus dem Kinderhaus zugutekommen. „Durch die Inklusion gibt es ja auch an normalen Schulen Schüler mit Auffälligkeiten“, sagt Christoph. Sein Ziel ist es, ihnen als Lehrer Wertschätzung mitzugeben, damit sie mit sich klarkommen.