Thermomix-Urteil in Wuppertal Vorwerk musste Kundin nicht über Modellwechsel informieren

Wuppertal · Wenn Hausgeräte- oder Elektronik-Hersteller überraschend ein neues Modell auf den Markt bringen, kann das für die Kunden ärgerlich sein. Zumindest, wenn sie kurz vorher das plötzlich alt aussehende Vorgängermodell gekauft haben. Die Justiz hilft da eher nicht.

Foto: dpa/Rolf Vennenbernd

Bei Apple ist die Präsentation des neuen iPhones alljährlich ein aufwendig inszeniertes Ritual. Auch Autohersteller bieten in aller Regel schon Monate vor einem Modellwechsel erste Eindrücke von den neuen Fahrzeugen. Doch bei vielen anderen Geräten ist der Kauf für die Verbraucher immer noch ein kleines Vabanquespiel: Sie wissen nicht, ob ihr gerade gekauftes Produkt schon bald von einem Nachfolgemodell ersetzt wird. Das kann ärgerlich sein, vor allem wenn das neue Gerät tatsächlich mit spürbaren Verbesserungen glänzt.

Rechtlich ist die Geheimniskrämerei vieler Hersteller über ihre geplanten Produktneuheiten aber nicht unbedingt zu beanstanden. Das musste sich am Donnerstag eine Verbraucherin aus Kaiserslautern im sogenannten Thermomix-Streit vom Landgericht Wuppertal sagen lassen. (Az.: 9 S 179/19)

Der Hintergrund: Die Frau hatte sich im Januar vergangenen Jahres für mehr als 1200 Euro ein Modell der Vorwerk-Luxus-Küchenmaschine Thermomix TM5 gekauft. Als sieben Wochen später Vorwerk das verbesserte Nachfolgemodell TM6 ankündigte, fiel sie aus allen Wolken - und fühlte sich von dem Wuppertaler Unternehmen über den Tisch gezogen. Sie zog vor Gericht und verlangte die Rückabwicklung des Kaufvertrages. Vorwerk hätte sie über den anstehende Modellwechsel informieren müssen, meinte sie.

Das Landgericht sah das allerdings ganz anders. Der Hausgerätehersteller sei nicht verpflichtet gewesen, seine Kunden lange vorab über den geplanten Modellwechsel bei dem Luxusküchengerät zu informieren, befand der Vorsitzende Richter Stefan Istel am Donnerstag und wies die Klage der Vorwerk-Kundin endgültig ab.

Der Hausgerätehersteller habe ein berechtigtes Interesse gehabt, die aktuelle Produktion noch abzusetzen, ohne Hinweise auf den künftigen Produktwechsel zu geben, heißt es in der Urteilsbegründung. Selbst wenn das neue Gerät schon in den Startlöchern gestanden habe, gebe es keine Pflicht, die Vorgängermodelle als Auslaufmodell zu bezeichnen. Das Landgericht bestätigte damit ein Urteil des Wuppertaler Amtsgerichts. Die Entscheidung ist somit rechtskräftig.

Der Modellwechsel beim Thermomix hatte schon bei der Ankündigung im März 2019 hohe Wellen geschlagen. Rund fünf Jahre nach der Einführung des Vorgängermodells Thermomix TM5 bot der neue TM6 eine ganze Reihe zusätzlicher Funktionen vom Vakuum-Garen über das Garen bei Niedrigtemperatur bis zum Anbraten. Der Thermomix sei damit „in eine noch höhere Kochliga aufgestiegen“, warb Vorwerk.

Vor allem Verbraucher, die in den vorangegangenen Monaten noch eines der alten Geräte gekauft hatten, ärgerten sich deshalb über das Vorgehen des Hausgeräteherstellers. Eine Kundin fragte im Internet: „Warum werden Kunden bei der Bestellung nicht darauf hingewiesen, dass in den nächsten Monaten ein neues Modell erscheint?!“ Und fügte dann noch hinzu: „Mein 8 Wochen alter TM5 war mein erstes und letztes gekauftes Produkt von euch.“ Eine andere Thermomix-Besitzerin meinte: „So geht man nicht mit seinen Kunden um.“

Von Vorwerk bekamen jedoch lediglich Kunden, die in den zweieinhalb Wochen vor der Bekanntgabe des Modellwechsels einen Thermomix gekauft hatten, das Angebot, zum Nachfolgemodell zu wechseln. Das Unternehmen sieht auch keine einfache Lösung für das Dilemma. „Generell ist bei einem Modellwechsel eine Übergangsphase nicht zu vermeiden. Ganz egal, wann Sie ankündigen - es wird immer Kunden geben, die kurz "davor" gekauft haben“, sagte eine Unternehmenssprecherin noch in dieser Woche. Eine frühere Ankündigung des Thermomix TM6 hätte deshalb nach Auffassung von Vorwerk das Thema nur verschoben.

Auch für Iwona Husemann von der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen steht mit Blick nicht nur auf den Thermomix fest: „Es gibt keine Pflicht des Herstellers, ein neues Gerät anzukündigen.“ Um beim Kauf zumindest etwas mehr auf der sicheren Seite zu sein, rät die Verbraucherzentrale, bei teureren Neuanschaffungen explizit nach einem anstehenden Modellwechsel zu fragen. „Da muss das Unternehmen wahrheitsgemäß antworten“, betonte Georg Tryba von der Verbraucherzentrale NRW. Wenn es das nicht tue, sei ein Schadenersatzanspruch denkbar.

Der Marketing-Experte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf findet dennoch, dass Vorwerk bei dem Modellwechsel „nicht gerade brillant“ agiert habe. „Der Thermomix ist ein sehr emotionales Produkt mit einer großen Fangemeinde, und Firmen tun gut daran, solche engagierten Kunden nicht vor den Kopf zu stoßen“, betonte er. In seinen Augen wäre es besser gewesen, frühzeitiger über die geplante Neueinführung zu informieren und den Übergang stärker mit Umstiegsprämien oder der Inzahlungnahme von Altgeräten abzufedern. „Kurzfristig verliert man dadurch vielleicht etwas Geld, weil die Nachfrage oder der Preis sinken, aber mittel- und langfristig rechnet sich ein solches Vorgehen“, ist er überzeugt.