Kinderbetreuung Unklarheit über Anzahl betreuter Kinder
Einer Erhebung des Statistischen Bundesamtes zufolge lag die Ganztagsbetreuung von Kleinkindern in Wuppertaler Kitas 2019 bei lediglich neun Prozent. Ein Wert, der für NRW nicht besonders niedrig ist, mit dem Wuppertal aber im Vergleich mit der direkten Umgebung durchaus schlecht abschneidet: Düsseldorf stand demnach bei 29 Prozent, Solingen bei 13,8, Remscheid bei 17 und Mettmann bei 15,6.
Bei der Stadt sorgt die Erhebung für Unmut. Denn die Zahlen der Verwaltung sehen anders aus: 2019 meldete die Stadt mehr als 2400 U3-Plätze in Kindertagesstätten von Stadt und freien Trägern – unabhängig von der Betreuungsdauer – sowie 1350 Plätze für Kinder unter drei Jahren bei mehr als 200 Tageseltern. Damit wären also etwa 22 Prozent der Kinder unter drei Jahren in Kindertagesstätten und rund 13 Prozent bei Tageseltern - also rund 35 Prozent der Kinder – versorgt gewesen.
Stadt kann sich die
Differenzen nicht erklären
Die Zahlen, die das Bundesamt genutzt hat, beziehen sich dem Amt zufolge auf Kinder, die zu dem Zeitpunkt mehr als sieben Stunden am Tag betreut wurden – also auf Vollzeitbetreuung. Wenn man die Zahlen unabhängig von der Betreuungszeit betrachtet, die das Bundesamt ebenfalls erhebt, dann kommt Wuppertal zu dem Zeitpunkt auf eine Betreuungsquote von 19,7 Prozent für Kinder unter drei Jahren. Von etwas mehr als 10 000 Kindern unter drei Jahren seien 2019 also weniger als 1000 Kinder ganztags beziehungsweise etwa 2100 Kinder unter drei Jahren insgesamt betreut worden. Zahlen, die sich von denen der Stadt unterscheiden.
Wie die Differenzen zustandekommen, könne er sich nicht erklären, sagt Michael Neumann, Leiter des Stadtbetriebs Tageseinrichtungen. Unterschiedliche Stichtage für die Erhebungen könnten ein möglicher Grund sein, sagt er. Ebenso argumentiert das Statistische Bundesamt. Das Amt nutzte die Bevölkerungsdaten von Ende 2018 und die Betreuungsdaten vom Stichtag 1. März 2019. Die Stadt nutzt den Stichtag 30. Juni des jeweiligen Jahres für die Bedarfserhebungen.
Für die bildungspolitische Sprecherin der FDP-Fraktion im Rat sind das aber Differenzen, die nicht mit methodischen Unterschieden erklärt werden können: Karin van der Most fordert, dass die Stadt zur kommenden Bedarfsplanung „eine Bestandserhebung mit Erläuterung der Statistik“ vorlegt.
Klar ist: Wuppertal hat weiter Aufholbedarf bei der Betreuung gerade kleiner Kinder. Wegen des steigenden Bedarfs nach einer Betreuung und der steigenden Zahl von Kindern in der Stadt reicht der Ausbau der Kitas bislang nicht aus. Die Stadt geht konstant von 1000 Fehlplätzen aus. Auch weil es seit 2013 einen Anspruch auf eine Betreuung ab dem ersten Geburtstag gibt. 2016 haben 55 Prozent der Eltern den Wunsch nach Betreuung für Kinder unter drei Jahren geäußert. Seit 2015 wurden rund 2500 neue Kitaplätze geschaffen. Mittlerweile sei die Versorgung mit U3-Plätzen in der Stadt insgesamt auf 38 Prozent gestiegen, sagt Michael Neumann. Er erklärt, die Stadt arbeite daran, „für die Betreuung von Kindern unter drei Jahren eine Betreuungsquote von 50 Prozent“ zu erreichen.
Der zuständige Dezernent Stefan Kühn sagt, die Zahlen des Bundesamtes machten erneut deutlich, dass Stadt und freie Träger weiter Gas geben müssten beim Ausbau der Betreuungsplätze. Neumann wünscht sich im besten Fall mehr Unterstützung vom Land dafür.
Die Stadt selbst will 2021 drei neue Tagesstätten mit bis zu sechs Gruppen in Betrieb nehmen - Baumstraße, Bromberger Straße und Dahler Straße. Das geht aber nur in der geplanten Größe, wenn es auch genug Personal gibt. Zuletzt konnten neue Kitas nicht voll in Betrieb gehen, weil es nicht genug Erzieher gab. Ein Problem, das nicht nur die Stadt seit Jahren hat. Und eines, das sich durch die Corona-Pandemie noch einmal verschärft hat.
Neumann sagt aber auch, dass die Qualifikationskurse für die Tätigkeit als Tageseltern – mindestens drei pro Jahr – „ständig ausgebucht“ seien. Tagespflege sei „eine unverzichtbare Unterstützung insbesondere für die Betreuung der Kinder unter drei Jahren“.
Die FDP fordert, dass die Stadt in den kommenden zwei Jahren 2000 neue Plätze schaffen muss, um tatsächlich ausreichend Plätze anbieten zu können. Die bildungspolitische Sprecherin Karin van der Most sagt, die Stadt sei zwar sehr aktiv gewesen beim Ausbau, aber die Anstrengungen reichten nicht aus. FDP und SPD fordern daher in einem gemeinsamen Antrag, dass die Stadt mit privaten Grundstückseigentümern sowie Investoren mögliche Flächen identifizieren und diese in einem Flächenpool zusammenzutragen soll. „Da es zunehmend schwieriger wird, städtische Flächen zu finden und entsprechend zu nutzen, erscheint es aus unserer Sicht sinnvoll, verstärkt private Flächen und freie Träger mit ins Boot zu holen, denn hier gibt es noch Potential“, sagt Karin van der Most.