USA-Reise: Auf den Spuren des Ur-Ur-Großvaters

Eine Reise wie im 19. Jahrhundert: Sibylle Randoll war sechs Monate lang in den USA unterwegs — mit Schiff und Bus, auf den Spuren ihres Ur-Ur-Großvaters aus Barmen.

Foto: Randoll

Wuppertal. Die Augen von Sibylle Randoll leuchten. „Ich habe viel mehr entdeckt, als ich erhofft hätte.“ Sechs Monate lang ist die 27-Jährige auf den Spuren ihres Ur-Ur-Großvaters Otto Dahl durch Amerika gereist (WZ berichtete). Denn der Barmer Lederfabrikant hatte von 1880 bis 1882 eine lange Tour durch Amerika unternommen und später darüber ausführlich in seinen Memoiren berichtet.

„Ich habe Orte, an denen ich noch nie war, wiedererkannt — anhand seiner Beschreibung“, erzählt Randoll. Die Stuttgarterin gab ihren Job in einer PR-Agentur auf und brach auf. Neben den Spuren ihres Ur-Ur-Großvaters wollte sie auch deutsch-amerikanische Verbindungen erforschen.

Möglichst ähnlich wie ihr Ahne wollte sie reisen - deshalb ließ sie sich extra ein Kleid im Stil des ausgehenden 19. Jahrhunderts schneidern, fuhr mit Schiff und Bus. „Man erlebt ganz andere Sachen durch das langsame Reisen“, berichtet sie begeistert. So lernte sie etwa im Zug Amische kennen - die Anhänger einer täuferisch-protestantischen Glaubensgemeinschaft, die moderne Errungenschaften wie Handy und Internet ablehnen und nach strengen Traditionen leben. Da diese ursprünglich aus Süddeutschland stammen, konnte sie deren traditionelle Sprache sogar teilweise verstehen. Einen Tag lang verbrachte sie auf ihrer Farm, erlebte ihre Gastfreundschaft und ihre Zufriedenheit in der Großfamilie.

Besonders spannend war für Sibylle Randoll jedoch der dreieinhalbwöchige Aufenthalt in Bozeman, wo ihr Vorfahre acht Monate lang auf einer Farm arbeitete. Schon von Deutschland aus hatte sie das Gallatin History Museum kontaktiert und von dessen Mitarbeiterin Rachel erfahren, wo ungefähr das Grundstück sein sollte. „Ausgerüstet mit der Karte, auf der die Grundstücksgrenzen eingezeichnet waren, und Ottos Zeichnungen radeltet ich eines Tages zur Farm“, schreibt sie in ihrem Blog, in dem sie die verschiedenen Stationen der Reise schildert. Trotz Verbotsschildern betrat sie das Gelände - etwas besorgt in einem Land, in dem viele Farmer Schusswaffen haben.

Doch der Mieter und später auch der Besitzer waren sehr kooperativ. Der Vergleich der Zeichnung von Otto Dahl mit dem heute noch existierenden Holzhaus ließen keinen Zweifel zu: Sibylle Randoll hatte das Farmhaus ihres Ur-Ur-Opas gefunden. „Das war wirklich der Höhepunkt der Reise — das hätte man nicht herausfinden können, ohne hinzufahren.“

Die Besitzer hatten schließlich noch einen weiteren Beweis: Sie hatten bei Renovierungsarbeiten eine alte Zeitung von 1870 in der Wand gefunden, die für August Gottschalks Farm warb - genau die Farm, bei der Otto Dahl arbeitete. Gewohnt hat die Deutsche während ihrer sechsmonatigen Reise fast immer bei Privatleuten. Sie besuchte Freunde und erhielt Angebote von Bekannten von Bekannten, bei ihnen zu übernachten. „Die Leute haben sich gefreut, dass sie ein bisschen mitreisen durften.“

Stets trug dabei die Reisende ihre dicke Abschrift der alten Memoiren bei sich und verglich vor Ort, wie sich das Leben in den 135 Jahren verändert hat. Immer wieder ließ sie sich im alten Kleid fotografieren, verbrachte manchmal ganze Tage darin. „Es hat mich daran erinnert, dass Reisen damals nicht so einfach war wie heute. Alleine das Hochstecken der Frisur hat eine Dreiviertelstunde gedauert.“ Die Hutschachtel, das Kleid und der Schirm nahmen einen großen Teil des Koffers ein. Daneben blieb nur Platz für wenige Hosen und T-Shirts.

In Denver stieß Sibylle Randoll noch auf ein weiteres Andenken an Wuppertal: Bei MillerCoors, dem zweitgrößten Braukonzern der USA, entdeckte sie das „Barmen Pilsener“: Der Gründer der Brauerei, Adolph Coors, stammt aus Barmen. Das Bier wird jedoch nur in wenigen Kneipen Denvers ausgeschenkt. Nach ihrer Rückkehr muss sich die Weltenbummlerin erst wieder orientieren. Ihre Erlebnisse und Erkenntnisse will sie in einem Büchlein zusammenfassen und an die Menschen schicken, die ihr unterwegs geholfen haben.