Begrabt mein Herz in Wuppertal Ein Polizeiauto aus Marzipan
Kolumnist Uwe Becker träumt von einer süßen Welt.
Im Traum stand ich in einer Aldi-Filiale vor einem Regal mit Weihnachtsgebäck und rief flehend und hysterisch: „Wer unter euch ohne Sünde ist, der werfe den ersten Dominostein auf mich.“ Anschließend wurde ich mit polizeilicher Gewalt aus dem Supermarkt geholt. Meine Hosentaschen hatte ich mir vorab mit Lebkuchenherzen und Spekulatius vollgestopft. Meine zitternden Hände waren schokoladenverschmiert. Alle vier Gendarmen rauchten während meiner Festnahme französische Zigaretten und summten Weihnachtslieder.
Ich wurde dann, schwer nach Luft ringend, in ein kleines Polizeiauto aus Marzipan verfrachtet. Um in das Innere des Wagens zu gelangen, wurde das bunte Stanniolpapier abgezogen und mit einem Messer die Türe des mandelsüßen Autos ausgeschnitten. Die Türe aus feinstem Edelmarzipan wurde in kleine Stücke gebrochen und an die mit hoher Tagesfreizeit ausgestatteten Schaulustigen verteilt.
Im Inneren des essbaren Fahrzeugs wurde ich von Polizeibeamten vernommen, die mir nun nicht mehr wie Menschen aus Fleisch und Blut erschienen. Die Wachtmeister, die mich gerade noch so grob und böse fixiert hatten, sahen nun friedlicher aus, eher wie zarte Haselnuss-Cremewaffeln aus kontrolliert ökologischem Anbau und aus fairem Handel. Mit einer Lakritzstange musste ich das Protokoll auf Esspapier unterschreiben.
Ich überlegte kurz, ob ich mir die süßen Polizisten greifen und samt Protokoll mit meinem Geständnis ratzeputz aufessen sollte, um dann meine Freiheit wieder zu erlangen. Ich fand hierfür aber nicht den Mut, auch weil mir einer der knusprigen Bullen nun eine Kinderzigarette aus Kaugummi anbot, die ich aber dankend ablehnen musste, weil ich ein Nikotinpflaster trug.
Inzwischen fuhren wir auf der A 3 von Wuppertal nach Köln. Die Haselnusspolizisten fragten mich während der kurzen Reise, ob ich mit einem Alkoholtest einverstanden wäre. Ich stimmte unter der Bedingung zu, dass ich vorher eine gute Flasche Eierlikör verköstigen dürfte, da ein Test sonst ohne Sinn und Verstand wäre. Die zuckersüßen Schutzmänner berieten sich kurz, um meine Forderung dann abzulehnen.
Nach unserer Ankunft wurde ich dann im Keller des Kölner Schokoladenmuseums eingesperrt. Eine Polizistin, die einem Berliner Ballen glich, kümmerte sich grob um meine Wunden, die mir die kalorienreichen Gendarmen mit ihrem Weingummiknüppel zugefügt hatten. Meine Hämatome wurden mit Honig bestrichen und zum Schutz mit Zuckerwatte verbunden. Am anderen Tage wurde ich in einem Schauprozess von Richtern mit Gesichtern aus Spritzgebäck dazu verurteilt, eine Flasche Essig auf Ex zu trinken.
Dann erwachte ich endlich aus diesem furchtbaren Albtraum. Aber ich bin ja auch selbst schuld, warum lese ich vor dem Einschlafen, als seit knapp einem Jahr rauchfreier Mensch, einen Artikel über das Buch „Mein süßes Leben ohne Zucker - Gesund und glücklich in 7 Tagen“, der Lokalzeit-Moderatorin von WDR-Bergisch Land, Kerstin von der Linden, nur weil ich große Angst habe, dass mir bald keine Hose mehr passt und mir die Knöpfe von meinen Hemden springen. So ein Quatsch!
Ich leiste mir jetzt einfach einen großen Eisbecher mit Sahne. Und vielleicht kaufe ich mir später zur Entspannung noch eine Päckchen Zigaretten aus Schokolade.