„Viele Frauen gehen unfreiwillig in Teilzeit“

Das Netzwerk Bergisch-kompetent will die Vereinbarkeit von Familie und Beruf verbessern. Es profitieren beide Geschlechter.

Foto: Anna Schwartz

Das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie wird in den kommenden Tarifrunden eine bedeutende Rolle spielen. So fordert die IG Metall aktuell nicht nur sechs Prozent mehr Lohn, sondern auch das Recht für jeden Beschäftigten, seine Arbeitszeit bis zu zwei Jahre lang von 35 auf 28 Stunden pro Woche zu verkürzen. Die Initiative „Bergisch-kompetent“ des Kompetenzzentrums Frau und Beruf will kleine und mittelständische Unternehmen im Bergischen dabei beraten, ihr Personalmanagement familienbewusst und an der sich wandelnden Demografie mit einem wachsenden Bedarf der Pflege von Familienmitgliedern auszurichten.

Christine Jentzsch vom Kompetenzzentrum Frau und Beruf hatte zum Netzwerktreffen eingeladen, das im Personalraum von Ikea an der Schmiedestraße stattfand. Dabei war es sicherlich kein Zufall, dass unter den Gästen Frauen deutlich in der Überzahl waren. Noch immer sind Frauen am häufigsten betroffen, wenn es Konflikte bei der Vereinbarkeit zwischen Familie und Beruf gibt.

„Das Thema nimmt immer mehr Fahrt auf, wie die Tarifverhandlungen im Metallgewerbe zeigen. Die Unternehmen sind zudem immer stärker auf Fachkräfte angewiesen. Wir unterstützen die Unternehmen, diese Fachleute zu finden. Mit weiblichen Arbeitskräften könnten noch viele Stellen besetzt werden.

Im bergischen Städtedreieck liegt ein Potenzial von rund 8000 Stellen brach“, sagt Jentzsch. „Viele Frauen gehen unfreiwillig in Teilzeit, weil ihnen nicht die entsprechenden Arbeitszeitmodelle geboten werden.“ Zu viele Frauen würden geringfügig beschäftigt, obwohl sie über eine höhere Qualifikation verfügten. „Gelingt es, dieses brachliegende Potenzial zu heben, bedeutet das eine Stärkung des Wirtschaftsstandortes Bergisches Land“, so Christine Jentzsch.

Im weiteren Verlauf des Netzwerktreffens wurden Beispiele aus der Praxis von Susanne Schweitzer, Gastgeberin und Storemanagerin Ikea Wuppertal, Ines Krause, Personalentwicklung Curt Beuthel Gmbh & Co. KG, sowie Simone Quarch, Bergische Krankenkasse, vorgestellt. Susanne Schweitzer gab Einblicke in die intensive Einsatzplanung der Mitarbeiter in ihrem Haus. Um Frauen und Männern fünf verschiedene Stundenmodelle von der Teilzeit bis zur Vollzeit anbieten zu können, sei eine konsequente Planung mit einem vier- bis sechswöchigen Vorlauf erforderlich.

Von den flexiblen Arbeitszeitmodellen profitieren bei Ikea offensichtlich vor allem auch Frauen in Führungspositionen. Während in vielen Firmen das Engagement für Familienangehörige oder für den eigenen Nachwuchs einem Karriereknick gleichkommt und damit der Anteil der Frauen in höheren Positionen sinkt, ist dieser Trend bei Ikea nicht zu beobachten. 52 Prozent der Führungskräfte und Teamleiter sind laut Susanne Schweitzer bei Ikea Wuppertal weiblichen Geschlechts. 15 Führungskräfte arbeiten in Teilzeit oder Homeoffice.

Neben der konsequenten Einsatzplanung sei das gegenseitige Entgegenkommen eine wichtige Voraussetzung, so Schweitzer. Sie zählte außerdem eine Reihe von „Begleitpaketen“ auf, die zum Beispiel werdenden und jungen Eltern angeboten werden, sogar einen Fall des Job-Sharings von einem Ehepaar habe es am Standort Köln gegeben.

„Das Netzwerk steht Unternehmen mit einer Personalstärke bis 249 Mitarbeitern zur Teilnahme weiterhin offen. Zweimal im Jahr ist ein Netzwerktreffen vorgesehen, aber die Firmen können mich natürlich jederzeit ansprechen“, sagt Christine Jentzsch. Bisher haben sich 19 Firmen gemeldet. In der vom Mittelstand geprägten bergischen Wirtschaft sollte das Netzwerk weitere Netzwerker binden.