Gastbeitrag Viele Hürden für Blumenwiesen im öffentlichen Grün

Annette Berendes über die Folgen des Insektensterbens — und die Grenzen dessen, was die Stadt dagegen tun kann.

Annette Berendes ist Leiterin des Ressorts Grünflächen und Forsten bei der Stadt.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Bis zu 58 000 Tierarten gehen der Welt jedes Jahr verloren. Ihr Verlust zieht eine Kaskade an negativen Veränderungen nach sich, deren Auswirkungen bis heute nicht überblickt werden können. Besonders dramatisch sind die Folgen bei den Insekten: Dreiviertel aller angebauten Nahrungspflanzen sind auf die Bestäubung durch Insekten angewiesen. Gleichzeitig bilden Insekten die Nahrungsgrundlage für sehr viele Tierarten. Daher ist es notwendig, dass sich inzwischen viele Menschen für ihren Erhalt einsetzen.

Vor allem Wildbienen, nicht die domestizierten Honigbienen, stehen im Mittelpunkt. Über 50 Prozent ihrer Arten sind bereits bestandsgefährdet. Davon wiederum sind die meisten auf sonnige, magere Standorte angewiesen, weil sie nur dort ihre Nester bauen können und das Angebot an Blüten finden, das sie zur Nahrungsaufnahme benötigen. Allerdings weisen unsere städtischen Standorte meist nährstoffreiche Lehmböden auf, auf denen diese Wiesenblumen nicht gedeihen können. Zusätzlich erhalten unsere Böden durch Eintragungen aus der Luft unbeabsichtigt laufend eine zusätzliche Düngung, die vor allem durch den Autoverkehr verursacht wird. Magere Standorte sind bei uns deshalb selten.

Der Schutz dieser Standorte und der auf sie angewiesenen gefährdeten Arten ist vor allem in den Naturschutzgebieten (in Wuppertal zum Beispiel der Eskesberg) vorgesehen und wichtig. Vor dem skizzierten Hintergrund zerbrechen sich bundesweit die städtischen Grünflächen und Umweltämter schon seit Längerem den Kopf, was sie für die Förderung der Artenvielfalt auf den frequentierten Grünflächen und im Straßenbegleitgrün tun können. Oftmals wird versucht, Flächen mit den benötigten Wiesenblumen anzulegen.

Hürden: Schwierige Standorte
und hohe Kosten

Ein Weg dorthin geht über den Austausch des meist nährstoffreichen Bodens durch mageren Boden. Für Wuppertal würde das bedeuten, dass die oberste Lehmschicht durch steiniges Substrat ersetzt werden müsste. Anschließend folgt die Einsaat oder die Pflanzung einer blütenreichen Wiese. Außer der Tatsache, dass dies nicht den hiesigen Standortverhältnissen entspricht, sind Bodenaustausch und Einsaat teuer – allein für den B7-Mittelstreifen zwischen Fischertal und Ohligsmühle müssten 900 000 Euro aufgebracht werden. Und dies etwa alle acht Jahre, da die Fläche ja inzwischen wieder der „Düngung“ aus der Luft und den zusätzlichen Hinterlassenschaften von Mensch und Hund ausgesetzt ist.

Aber es sind keineswegs nur die Standortvoraussetzungen und die Kosten, die diese Vorgehensweisen fraglich erscheinen lassen. Beim Bodenumbruch oder -austausch leiden besonders im Straßenraum die Baumwurzeln – das kann zu fatalen Verletzungen bei den Bäumen führen. Außerdem müssen die Ränder der Flächen kurz gehalten werden, da die Pflanzen sonst in die Fahrbahn hängen und Sichtdreiecke für den Verkehr aus Sicherheitsgründenfreizuhalten sind.

Schließlich ist es keineswegs ausgemacht, dass das Insektenvorkommen durch alle diese Maßnahmen erhöht wird, weil wir die Tiere in den Straßenraum und damit in eine für sie eher feindliche Umgebung locken. Insbesondere für seltene Insektenarten mit ihren besonderen Ansprüchen kann damit kaum etwas erreicht werden.

In den Parkanlagen wiederum gibt es viele Areale, die als Liegewiesen oder Sportflächen genutzt werden. Um dieser Nutzung Stand zu halten, müssen wir strapazierfähigen Rasen

anbieten. Natürliche Wiesenflächen sind hier deplatziert und wären in kürzester Zeit zertrampelt. Dennoch gibt es natürlich Möglichkeiten, im frequentierten Öffentlichen Grün auch für die Insekten etwas zu tun. Unabdingbar ist, dass keine chemischen Unkrautvernichter und Pflanzenschutzmittel eingesetzt werden – dieser Verpflichtung folgt die Stadt bereits seit Jahrzehnten.

Stadt verpflichtet sich:
Keine Unkrautvernichter

Sträucher wie Weißdorn oder Hasel, Bäume wie Ahorn oder Weide werden in diesen Randbereichen besonders gefördert, da sie wichtige Nahrungsquellen für Insekten bieten. Im Übergang zur Landschaft oder zum Wald darf es dann etwas naturbelassener zugehen, denn unter alten Stein- oder in Holzhaufen finden sich ideale „Insektenhotels“.

Im Straßenraum müssen die Rasenflächen jedoch kurz gehalten werden. An einzelnen exponierten Standorten (zum Beispiel an der Stadthalle oder am Hofkamp) werden blühende Stauden zur Verschönerung des Stadtbilds und als Beispiel für den Privatgarten gepflanzt.

Ansonsten blühen hier und auf den intensiv genutzten Bereichen der Parkanlagen im Frühjahr häufig Narzissen und Krokusse – auch sie haben durchaus ihre Bedeutung für die Insekten. Außerdem stellt das Ressort Grünflächen und Forsten Interessierten in den weniger frequentierten Bereichen der Anlagen Flächen zur Verfügung, auf denen der Rasen umgebrochen und Wiesenblumen angesät werden können. Allerdings müssen diese Flächen dauerhaft von den Paten gepflegt werden, weil die städtischen Gärtner diese Aufgabe nicht zusätzlich übernehmen können.

Standortgerechte Samenmischungen sind über den Fachhandel zu beziehen, aber nicht immer ausreichend verfügbar. „Insektenhotels“ eignen sich leider nicht für ihre Aufstellung im öffentlichen Raum, da sie dem Vandalismus nicht standhalten. Erstrebenswert sind sie in jedem Fall jedoch im Schul- oder Kita-Gelände – als Lehr- und Begegnungsstätte vor allem für junge Menschen. Und für seltene Arten gilt: konsequenter Schutz und ihren Bedürfnissen angemessene Pflege der Naturschutzgebiete kann am meisten zur Sicherung ihres Bestandes beitragen.