Warum auch die Wuppertaler den Brexit fürchten müssen

Beim Bau der Nordbahntrasse floss Geld der Europäischen Union. 2021 droht das Ende vergleichbarer Finanzspritzen.

Brexit heißt Brexit — das Statement von Theresa May ist zum geflügelten Wort geworden. Spürbare Folgen hat der Ausstieg der Briten aus der Europäischen Union in Wuppertal bisher kaum hinterlassen. Das könnte spätestens ab 2021 anders werden, denn dann droht unter anderem auch den strukturschwachen Regionen in Nordrhein-Westfalen das Ende der Regionalförderung durch die Europäische Union.

Tourismusförderung — unter dieser Überschrift finanzierte die Europäische Union zum Beispiel das Projekt Nordbahntrasse in bedeutendem Maße mit. Eine Summe von 7,17 Millionen Euro aus Brüssel floss in den Ausbau der Außenbereiche der Trasse im Osten und Westen der Stadt. Das Geld der EU hatte zudem den Charakter einer Anschubfinanzierung, denn es erleichterte Bund und Land NRW die Entscheidung, sich finanziell am Bau der Rad- und Wandertrasse zu beteiligen. Ohne eine EU-Förderung wären aktuell der Umbau und die Sanierung von Engelshaus und Historischen Zentrum zum „Ankerpunkt China NRW“ für die Stadt nicht zu stemmen. Hier wird ein beachtlicher Teil der Kosten über den EU-Wirtschaftstopf finanziert. Zum 28. November 2020, am Tag des 200. Geburtstages von Friedrich Engels, soll die Eröffnung gefeiert werden und Höhepunkt des Engelsjahres 2020 in Wuppertal sein.

Doch es werden nicht nur Großprojekte, wie die Trasse oder das Engels-Center von der EU gefördert, sondern auch Stadtentwicklungsprogramme, die wichtige Impulse in der Stadtlandschaft setzen. Das Programm „Soziale Stadt“ hat in Heckinghausen viele positive Entwicklungen in Gang gesetzt. Ähnlich wertvoll sind die Förderprogramme für die Stadtteile Oberbarmen und Wichlinghausen, wo im Vergleich zu anderen Stadtteilen die Zuwanderung besonders hoch ist. Es besteht die Gefahr, dass sich dort soziale Brennpunkte entwickeln. Dem arbeitet die Stadt mit Projekten entgegen, bei denen auch dank der EU-Förderung der Eigenanteil an den Kosten bei zehn Prozent liegt. „Das sind sagenhafte Konditionen, und das Beispiel zeigt, dass Europa uns alle angeht. Die EU fördert eben nicht nur Regionen in Osteuropa“, sagt Stadtdirektor Johannes Slawig.

Der Brexit würde sich gleich doppelt negativ auf die Förderstrukturen der Europäischen Union auswirken. Auf der einen Seite würden ab 2021 rund 14 Milliarden Euro der Briten im Beitragstopf fehlen. Sollten die Beitragszahlungen der verbleibenden Mitglieder nicht deutlich erhöht werden, wovon nicht auszugehen ist, dann würde das Geld für die aktuell in den Blickpunkt gerückten Aufgaben der EU wie Grenzsicherung, Verteidigungspolitik, Flüchtlinge und Digitalisierung deutlich knapper. „Es ist davon auszugehen, dass dann die Bemessungsgrundlagen angepasst werden. Und das würde nichts Gutes für Wuppertal bedeuten“, sagt Stadtdirektor Johannes Slawig. Laut Berechnungen von Experten würde eine Reduzierung der Mittel für die Strukturförderung um 15 Prozent dafür sorgen, dass Deutschland aus allen Förderprogrammen herausfällt. Mit Großbritannien würde ja einer der reichen Geberstaaten die Gemeinschaft verlassen. „Ohne dass es in NRW Verbesserung geben müsste, rückt NRW im Gesamtvergleich der europäischen Regionen automatisch nach oben und wird dann möglicherweise einer Gruppe über dem Strich zugeordnet, der keine Strukturförderung mehr zusteht“, beschreibt Slawig das Dilemma. Das Handelsblatt hatte zudem kürzlich berichtet, dass die EU-Kommission erwägt, die Strukturförderung ab 2021 auf ärmere Mitgliedstaaten mit einem Pro-Kopf-Einkommen unter dem Durchschnitt der EU zu beschränken. In der Förderperiode 2014 bis 2021 erhält NRW acht Milliarden Euro von der EU, würde in der Folge aber komplett leer ausgehen.

Da bleibt am Ende des Tages nur die leise Hoffnung, dass Brexit doch etwas anderes als das Goodbye der Briten bedeutet.