Unital Wuppertal Was Engels sah und was er nicht sah
Bei Unital ging es um Friedrich Engels und die ideengeschichtlichen Wurzeln der politischen Ökonomie.
Ein Jubiläum und der runde Geburtstag einer historischen Persönlichkeit bieten sich durchaus dazu an, eine kritische Würdigung zu ziehen oder auf bestimmte Leerstellen in der Theoriebildung hinzuweisen. Insofern war es nur konsequent, dass Prof. Dr. Hans Frambach am Donnerstagabend im Rahmen der Veranstaltungsreihe Unital eine kritische Einschätzung zu den „ideengeschichtlichen Wurzeln der politischen Ökonomie“ von Friedrich Engels unternahm. Zum Auftakt des Engels-Jahres skizzierte der Volkswirtschaftler der Bergischen Universität, mit welchen ökonomischen Denkschulen sich der junge Engels im 19. Jahrhundert auseinandergesetzt hatte – und welche Theorien er ignorierte.
Engels erlebte prekäre Zustände in der englischen Arbeiterschaft
In seinem Vortrag in der fast vollbesetzten evangelischen Citykirche verwies Frambach zunächst darauf, dass Engels die „politische Ökonomie Zeit seines Lebens verachtet“ hat. Als Sohn eines Barmer Textilfabrikanten reiste Friedrich Engels junior schon früh mit seinem Vater nach England, betreute später eine Niederlassung in Manchester und kam in Kontakt mit den Klassikern der dortigen politischen Nationalökonomie: Adam Smith, David Ricardo, Thomas Robert Malthus. Zudem erlebte er die prekären Zustände in der englischen Arbeiterschaft und wandte sich vehement gegen die Idee der „Selbstheilungskräfte des Marktes“ und das wirtschaftliche Konkurrenzprinzip.
Kritik an Freihandel und Liberalismus gibt es ja bekanntlich bis in die heutigen Tage. Was im historischen Zusammenhang allerdings problematisch ist, so Frambach, sei die Tatsache, dass Engels kritische Einschätzungen der britischen klassischen Nationalökonomie, die durchaus auch für ein staatliches Eingreifen plädiert hatte, schlicht nicht wahrnahm. Wenig besser erging es den deutschen Vertretern der klassischen Nationalökonomie, den Protagonisten des deutschen Idealismus, der Romantik oder der historischen Schule. Deren Kritik am Merkantilismus und einem zu freien Spiel der Marktkräfte sei von Engels „nicht erwähnt“ worden, obwohl die Texte zugänglich gewesen seien, monierte der Professor.
Eine umfangreiche Rezeption fanden bei Engels dagegen französische Denker wie etwa Pierre-Joseph Proudhon („Eigentum ist Diebstahl“), der englische Sozialreformer John Watts oder der deutsche Frühsozialist Moses Hess. Auf ihrer Kritik am Wesen des Handels und des Privatbesitzes baute Engels seine theoretischen Überlegungen auf. Eine „ernsthafte Auseinandersetzung“ mit anderen, nicht-sozialistischen Denkern fand bei Engels dagegen nicht statt, betonte Frambach. Zudem ging Engels selektiv vor und nutzte nur jene Argumente und Einschätzungen, die ihm in seinen persönlichen Überbau passten.
Theorieleistung des frühen
Engels war eher schwach
Fazit: Aus Sicht der politischen Ökonomie war die Theorieleistung des frühen Engels eher „schwach“, wie Frambach mit Verweis auf eine Aussage Joseph Schumpeters erklärte. Ein „Meilenstein“ im Bereich der empirischen Sozialforschung seien dagegen seine Untersuchungen zur „Lage der arbeitenden Klasse in England“ gewesen. Engels sei eben „kein studierter Ökonom“, dafür aber ein „großer Universalgelehrter“ gewesen. Zudem habe er über „ein meisterhaftes Schreibtalent“ verfügt und sei ein „genialer Analytiker“. Karl Marx dagegen sei im Vergleich mit Engels der „reifere ökonomische Denker“ gewesen.
Einige der Zuhörer in der City-Kirche ließ diese Einschätzung dann offenbar doch etwas erstaunt zurück. Auf die Nachfrage aus dem Publikum, wo er Engels in der heutigen Zeit politisch verorten würde, erwiderte Frambach: als „konservatives Mitglied der SPD“. Was wiederum bei einigen Beteiligten den Namen „Johannes Rau“ laut werden ließ. Womit dann auch wieder die Rückbindung ans Lokale erreicht wurde.