Detlef Vonde über Wahlen und Weichenstellungen Weimarer Republik – wie Wuppertaler wählten
„Demokratie ohne Demokraten“ – so wurde sie bezeichnet, die Republik von Weimar. Sie blieb bekanntlich nur ein Zwischenspiel von gerade 14 Jahren, die sozial, ökonomisch und politisch im Krisenmodus verliefen und fatal endeten.
Chaos zu Beginn, Fiasko zum Schluss: soziale Konflikte, Eskalation von Gewalt, ökonomische Krisen, Überforderung funktionaler und politischer Eliten. Das Finale war zugleich die „Sterbestunde“ einer Episode parlamentarischer Demokratie und Auftakt zum größten Massenmord in der Geschichte der Menschheit. Die Erinnerung an diese Republik von Weimar als ein „Inkubationsraum des Dritten Reiches“, wie der Historiker Marc Jones sie nannte, bietet noch immer reichlich Lernstoff, wenn es um die Absicherung der parlamentarischen Demokratie geht. Am Anfang und am Ende hatten die Menschen buchstäblich die Wahl und die Beteiligung daran war hoch.
Zuerst gewählt wurde die verfassunggebende Nationalversammlung am 19. Januar 1919. Bei über 83 Prozent lag die Wahlbeteiligung. Zum ersten Mal in der deutschen Geschichte hatten jetzt Frauen das allgemeine Wahlrecht. Politikerinnen wie die in Elberfeld geborene Helene Weber (Zentrum) oder Lore Agnes (USPD) traten plötzlich auf Spitzenplätzen für ihre Parteien an. Der Wahlkampf war kurz, aber heftig und brachte in Barmen/Elberfeld ein klares Ergebnis: Die Doppelstadt wählte links. SPD und USPD kamen zusammen auf 48 Prozent (37,2/10,8 Prozent). Dennoch blieb die Linke hinter den hohen Erwartungen zurück. Das bürgerliche Lager um die republikfeindliche Deutsch Nationale Volkspartei (DNVP 26,3 Prozent) und die liberale DDP (13,1 Prozent) sowie die CVP, eine Variante des katholischen Zentrums (12 Prozent), brachte es zusammen auf eine knappe Mehrheit. Die folgenden Reichstagswahlen am 6. Juni 1920 ließen dann bereits einen Trend erkennbar werden, der die Geschichte der Weimarer Republik prägen sollte: Die politische Spaltung der Arbeiterschaft im Zuge der steckengebliebenen Revolution in eine geschwächte (Mehrheits-) Sozialdemokratie und eine zunächst erfolgreiche USPD bzw. KPD, was nicht zuletzt mit dem Vertrauensverlust der Arbeitermilieus in „ihre“ SPD zu tun hatte. Diese verlor bei den Wahlen im Bergischen mehr als die Hälfte ihrer Stammwähler und schaffte es auf knapp 12 Prozent der Stimmen, während ihr abgespaltener linker Flügel, die USPD, auf über 30 Prozent kam. Deren zumeist jüngere Mitglieder wechselten alsbald zur neuen KPD, von der sie sich mehr Kompromisslosigkeit in Sachen einer sozialen Revolution erhofften.
Zeitsprung zu den Reichstagswahlen vom 31. Juli 1932 in der Schlussphase der Republik: Elberfeld wählte an diesem entscheidenden Tag unter dem Eindruck von Wirtschaftskrise und Massenarbeitslosigkeit fast zur Hälfte antirepublikanisch. Die NSDAP kam mit einem „Erdrutschsieg“ auf satte 42,6 Prozent, die reaktionäre DNVP erreichte 5,8 Prozent. Damit lag man im Tal noch deutlich über dem Gesamtbild. Die Arbeiterparteien KPD (22,3 Prozent) und SPD (15,3 Prozent) gerieten deutlich ins Hintertreffen, während das katholische Zentrum mit 9,9 Prozent bedeutungslos abschnitt. Der Wahlkampf war laut und gewalttätig. Politprominenz gab sich im Stadion das Mikro in die Hand: Ex-Reichspräsident Heinrich Brüning (Zentrum), Ernst Thälmann (KPD), der Berliner Ex-Polizeipräsident Albert Grzesinski (SPD), Göring und Hitler fanden ihr Publikum. Drei Monate später bei den Neuwahlen vom 6. November 1932 erlebte die NSDAP bei rückläufiger Wahlbeteiligung mit 35,9 Prozent einen Einbruch, während die KPD mit 24,9 Prozent die Position als zweite politische Kraft ausbauen konnte; dahinter die SPD mit 14,7 Prozent der Stimmen: Rechnerisch eine Chance zur Abwehr der Machtübertragung an die Nationalsozialisten. Der Konfrontationskurs der Arbeiterparteien hatte die Illusion einer „Einheitsfront gegen den Faschismus“ längst platzen lassen, ein möglicher Brückenschlag ins liberale „bürgerliche Lager“ fand nicht statt: Eine folgenreiche Weichenstellung, der Rest ist bekannt.
Und morgen? Künftige Historiker werden beurteilen, ob die anstehende Bundestagswahl „eine letzte Chance“ war angesichts der größten Herausforderung seit Menschengedenken - dem Klimawandel. Und ob diese Chance genutzt wurde.