Weniger Drogentote, aber mehr Aufputschmittel
Wuppertal hat ein gutes Netz von Hilfen und Beratung, das offenbar greift. Die junge Generation hat jedoch ihre eigenen Drogen.
Wuppertal. Die Zahl der Drogentoten ist in den vergangenen Jahren kontinuierlich gesunken. Waren es im Jahr 2000 noch 15 Abhängige, denen ihre Sucht zum Verhängnis wurde, registrierte die Polizei im vergangenen Jahr nur noch einen solchen Fall. Was zunächst erfreulich erscheint, ist jedoch nur ein Teil der Wirklichkeit. „Denn ich kenne mindestens sieben Leute aus unserer Betreuung, die im vergangenen Jahr an den Spätfolgen ihres Konsums gestorben sind“, sagt Klaudia Herring-Prestin, Leiterin der Einrichtungen Gleis eins und Café Cosa. Diese Todesfälle erfasst die Statistik nicht.
Die Zahlen wären aber noch viel höher, wenn es die verschiedenen Beratungs- und Unterstützungsangebote nicht gäbe. In Wuppertal wurde in den vergangenen Jahren ein breites Netz gespannt, das nicht jeden, aber viele auffängt. „Wir hatten 2015 im Gleis eins 18 Drogennotfälle, davon 13 mit Atemstillstand. Draußen wären das Todesfälle gewesen“, sagt Klaudia Herring-Prestin. Den Süchtigen einen sicheren Raum zum Spritzen zur Verfügung zu stellen, verringert nicht den Konsum, hilft den Betroffenen aber, länger zu überleben.
Der erste Schritt zum Ausstieg ist die Substitution. Sie schafft jedoch eine große Leere. Denn statt jede Minute mit der Suche nach dem nächsten Schuss zu verbringen, liegt plötzlich ein langer Tag vor den Konsumenten, der keine Struktur hat und sich nur schwer füllen lässt. Ein Mittagessen und ein Klönschnack im Café Cosa genügen dafür nicht. Das macht die Versuchung groß, die Stunden mit den alten Kumpels und einer Flasche Bier auf der Platte zu verbringen. „Nicht selten kommen so Alkohol und Beruhigungsmittel zu der eigentlichen Sucht hinzu — langfristig ein tödlicher Cocktail.“
Um aus diesem Teufelskreis auszubrechen, sind gute Beratungs- und konkrete Hilfsangebote nötig. Die Beratungsstelle für Drogenprobleme weist in ihrem Jahresbericht 820 Kontakte und 6890 Gespräche aus. Das Spektrum habe von einem reinen Informationsaustausch bis zu sehr persönlichen Fragestellungen alles abgedeckt. Es kamen überwiegend Männer über 30 Jahre und sie nahmen überwiegend eine längere Betreuung in Anspruch.
Daraus lässt sich jedoch nicht ableiten, dass Drogenkonsum vor allem Männer mittleren Alters betrifft. „Frauen konsumieren verborgener. Sie nehmen häufig andere Stoffe, nutzen andere Beschaffungswege“, sagt Klaudia Herring-Prestin. Grundsätzlich ist der Heroinkonsum rückläufig. Während ältere Abhängige eher zu Opiaten greifen, geraten Jüngere in andere Abhängigkeiten. „So spielen heute mehr denn je leistungsfördernde Medikamente eine Rolle bei der Bewältigung der zunehmenden Leistungsanforderungen in Schule Universität und Beruf. Auch das Phänomen einer ständig vernetzten Gesellschaft mit dem Medium Internet bringt neue Diagnosen hervor“, heißt es im Bericht der Beratungsstelle. Nach einer Studie der Landesmedienanstalten NRW gilt jeder fünfte Jugendliche als riskanter Nutzer, 6,3 Prozent der 14- bis 29-Jährigen gelten bereits als internetsüchtig.
Die Prävention könnte also in Zukunft noch mehr in den Fokus rücken und müsste möglicherweise noch viel früher ansetzen. Denn „das familiäre, soziale und gesellschaftliche Umfeld von Kindern spielt eine entscheidende Rolle bei der Entstehung von Sucht.“