Aktion Wenn Demokratie auf der Straße sichtbar wird

Die Demokratie-Konferenz will Leute einbinden, die Mitbestimmung nicht gewohnt sind.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Barmen. Die Demokratie, wie wir sie heute kennen, die übersetzt „Herrschaft des Volkes“ bedeutet, wurde von ihren Erfindern noch ganz anders praktiziert. Das Volk, das sich früher nur aus den freien Männern zusammensetzte, versammelte sich auf dem Marktplatz seines Stadtstaates und verhandelte dort alle politischen Fragen, die seinen Staat betrafen.

An eine solche direkte Demokratie erinnert die Demokratiekonferenz der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz am Samstagnachmittag auf dem Johannes-Rau-Platz. Mit dem Unterschied, dass diesmal Frauen und Männer, egal welcher Herkunft, mitmachen dürfen. Zum ersten Mal findet die Demokratiekonferenz außerhalb von geschlossenen Räumen und für jeden zugänglich statt.

„Wenn man Demokratie als Wort ernst nimmt, heißt das Mitbestimmung. Wir wollen den Leuten die Gelegenheit geben, mit zu diskutieren, die sonst keinen Zugang haben“, sagt Sebastian Goecke von der Wuppertaler Initiative für Demokratie und Toleranz. Sonst werde immer auf „die da oben“ geschimpft, an diesem Tag hätten die Bürger die Gelegenheit, produktiv zu sein und mitzugestalten.

In Arbeitsgruppen sollen sie Projektideen erarbeiten, in denen sie die Themen Freizeit, Heimat und Beteiligung aufgreifen. Aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben“ stehen 40 000 Euro zur Verfügung, zusätzlich gibt es 70 000 Euro von „NRW Weltoffen“ der Landeszentrale für politische Bildung für die mögliche Umsetzung der Projekte. Ein Begleitausschuss wertet die Ergebnisse der Konferenz aus und entscheidet, welche gefördert werden.

Sozialdezernent Stefan Kühn ist vor Ort und eröffnet die Veranstaltung. „Bei den vorherigen Konferenzen waren es immer Leute, die es gewöhnt waren, sich einzubringen. Das ist heute anders. Es ist sehr wichtig, auf die Leute zuzugehen, sie ernst zu nehmen und sie einzubeziehen“, sagt er.

Auch der Bundestagsabgeordnete Helge Lindh (SPD) ist zum Johannes-Rau-Platz gekommen und moderiert am Stand „Heimat“. Er ist im Begleitausschuss, der über die Projekte entscheidet. „Ich nehme seit Jahren an den Konferenzen teil und finde es gerade jetzt, in Zeiten, in denen so etwas wie in Chemnitz passiert, wo Leute für nicht-demokratische Ziele auf die Straße gehen, besonders wichtig, Demokratie sichtbar auf den Platz zu bringen“, sagt er. Er sehe auch in Wuppertal Spannungen.

„Es gibt einzelne Orte, zum Beispiel das Nordviertel und den Ölberg, wo ich mich wohl fühle“, sagt Petra Heinrich-Keldenich, die mit am Heimat-Stand diskutiert. Sie würde sich aber gerne überall in der Stadt zu Hause fühlen wollen, was sie bisher nicht tut. Zehra Akinci sagt, es müsse viel mehr Mitmachmöglichkeiten in den kleineren Vierteln geben — etwa so etwas wie den Wupperputz. „Viele Migranten oder Flüchtlinge kennen so viele schöne Ecken in Wuppertal noch nicht. Wenn es Stadtführungen im kleineren Format gäbe, würde das weiterhelfen“, meint sie.

Organisator Sebastian Goecke konnte beobachten, dass die Teilnehmer sich wünschen, dass die Stadtteile mehr Beachtung finden und dort mehr Plätze der Begegnung entstehen. Auch die Infrastruktur und der Radverkehr waren Themen.

Insgesamt war die Beteiligung an der Demokratiekonferenz allerdings etwas mäßig. 80 bis 100 Menschen haben sich laut Organisator Sebastian Goecke aktiv beteiligt. „Mich hat gefreut, dass wir es tatsächlich geschafft haben, die Passanten von der Straße an die Stände zu bekommen und nicht nur die üblichen Verdächtigen bei den Diskussionen dabei waren“, sagt er. Die Ergebnisse der Konferenz werden in der nächsten Zeit ausgewertet.