Bewerberdating Wie ein Heiratsmarkt für Berufsstarter und Ausbildungsbetriebe

Mit dem Bewerberdating steigt die IHK erstmals seit Pandemiebeginn wieder in Job-Messen in Präsenz ein.

Oliver Lomm (l.) von der Forst Technologie GmbH und Co. KG spricht mit Bewerber Karim Lahrichi.

Foto: ANNA SCHWARTZ

Carmen Bartl-Zorn spricht im holzvertäfelten Saal eine junge Frau an. Sie fragt sie zu beruflichen Vorstellungen, ob sie sich für technische Berufe interessieren würde. Die Antwort: Eher nicht, lieber Verkauf. Sofort weiß Bartl-Zorn, was zu tun ist und nennt der Frau einige Namen. Namen von Unternehmen des Handels. Und schickt sie in die Richtung los.

Die in lässiges Gelb gekleidete Carmen Bartl-Zorn weiß, dass sie gerade jemanden völlig überrumpelt hat. Aber sie weiß auch, dass das bei jungen Leuten, die Schwierigkeiten haben auf Job-Messen aus sich herauszukommen, notwendig ist. Job-Messe? Ja, wir befinden uns beim bergischen Bewerberdating der Bergischen Industrie- und Handelskammer und Bartl-Zorn ist als Geschäftsführerin des Bereichs Aus- und Weiterbildung voll in ihrem Element.

Dass die Bewerber, sichtlich häufig Teenager, sich etwas unwohl fühlen, führt Bartl-Zorn auf die mangelnde Berufsorientierung während der Pandemie zurück. „Die Bewerber sind verunsichert in der Berufswahl.“ Gut zwei Jahre lang hätten sie in Schulen kaum Gelegenheit gehabt, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen.

Das Bewerberdating sei eine der ersten Veranstaltungen ihrer Art seit Pandemiebeginn. Etwa 60 Aussteller aus der Region stellen rund 200 Ausbildungsstellen vor. Bartl-Zorn rechnet mit etwa 200 Besuchern. „Jeder, der eine Ausbildungsstelle sucht, kann hier eine finden. Die Chancen sind so gut wie noch nie“, sagt sie. Die anwesenden Unternehmen bilden das gesamte Spektrum der IHK ab, darunter die Bereiche Metall, Elektronik, Pflege, IT, Kaufmännisches und mehr.

Aufgrund des Fachkräftemangels müssten sich auch namhafte Unternehmen herausputzen. Denn: „Die Bewerber bewerben sich bei den Unternehmen genauso sehr, wie sich die Unternehmen bei den Bewerbern bewerben“, sinniert Bartl-Zorn.

Initiative ergreifen hilft
gegen den Fachkräftemangel

Da hilft es nur, die Leute aktiv anzusprechen – ähnlich wie die IHK-Geschäftsführerin sehen das auch Antje Voß, Hauswirtschaftsleitung beim Caritasverband Wuppertal / Solingen, und Sandra Stein, Ausbildungskoordinatorin für Pflegeberufe. „Durch die fehlende Präsenz ist vieles verloren gegangen. Man konnte zwei Jahre lang keine Leute aktiv ansprechen“, klagt Voß. „Praktika in Pflegeberufen fielen überwiegend aus“, ergänzt ihre Kollegin Stein.

Auch moderne Kommunikationskanäle bespielt die Caritas auf ihrer Suche nach Nachwuchs: „Wir machen Werbung, wir sind auf Social Media und bieten den Austausch mit derzeitigen Auszubildenden an“, erklärt Stein.

Die mangelnde Berufsorientierung während der Schulzeit spürt auch Lisa Jansen. Sie ist im Ausbildungsbereich der Stadtsparkasse Wuppertal tätig und ebenfalls vor Ort, um Azubis für das Finanzinstitut zu finden. „Die berufliche Orientierung findet erst sehr spät statt. Und das ist spürbar“, konstatiert sie.

Während der Pandemie versuche die Sparkasse auch, die Jugend mit digitalen Formaten anzusprechen. Leider mit wenig Erfolg. „Die digitalen Formate kamen nicht an“, so Jansen. Umso mehr freue sie sich, wieder vor Ort Bewerber kennenzulernen.

Einen etwas anderen Ansatz verfolgt die Technische Akademie Wuppertal. Das Institut am Zoo baut auf die Weiterbildung vorhandenen Personals gegen den Fachkräftemangel. Franziska Peters ist Leiterin für Personal und Organisation und erklärt das Modell: „Die vorhandenen Mitarbeiter sollte man weiterbilden, um sich von anderen Arbeitgebern abzuheben.“ Die Technische Akademie Wuppertal biete ein breites Portfolio, um dies zu erreichen: Fortbildungen, Seminare, Zertifikate und auch ein berufsbegleitendes Studium. „Wir decken den gesamten Karriereweg eines jeden langfristig ab“, so Peters. Unabhängig davon, welche Methoden ein Unternehmen wählt: Dass alle begierig sind, Nachwuchs zu rekrutieren, ist spürbar. Und das ist auch nachvollziehbar. Carmen Bartl-Zorn fasst knapp zusammen, was auf dem Spiel steht: „Jeder unbesetzte Ausbildungsplatz heute ist eine fehlende Fachkraft in einigen Jahren.“