Wildschweine im Stadtgebiet: „Einige hundert werden es sein“

Förster Christian Buschmann und Annika Mehnert von der Unteren Jagdbehörde im Gespräch mit der WZ.

Foto: Andreas Fischer/Lukas Borchers

Wuppertal. Grundstückseigner und Landwirte klagen über Schäden durch Wildschweine, die sich auch auf Wuppertaler Stadtgebiet ausbreiten. Christian Buschmann, städtischer Förster, und Annika Mehnert von der Unteren Jagdbehörde geben Ratschläge für richtiges Verhalten.

Herr Buschmann, Frau Mehnert, gibt es tatsächlich immer mehr Wildschweine in Wuppertal?

Christian Buschmann: Nicht nur in Wuppertal. Von den 1960er Jahren bis jetzt hat sich die Wildschweinpopulation verzehnfacht. Und zwar deutschlandweit. Die Tiere stoßen auch immer wieder in Stadtgebiete vor.

Wie kommt das?

Buschmann: Einerseits als Folge klimatischen Wandels: Der größte Feind der Wildschweine ist ein strenger Winter mit durchgefrorenem Boden, den sie nur schwer nach Fressbarem durchwühlen können. Milde Winter begünstigen ihre Nahrungssuche — weil auch mehr Samen fällt, sie finden Bucheckern, Eicheln. Veränderungen in der Landwirtschaft ist ein zweiter wichtiger Punkt: Die Zahl der Maisanbauflächen ist größer geworden. Mais ist eine sehr gute Nahrungsgrundlage für die Tiere.

Wie viele Wildschweine gibt es also in Wuppertals Wäldern? Dutzende? Mehr?

Buschmann: Einige hundert werden es wohl sein, aber das ist schwer zu sagen.

Warum?

Annika Mehnert: Da Wildschweine einen Bewegungsradius von bis zu 50 Kilometern pro Tag haben, lässt sich die Veränderung der Population in einem bestimmten Gebiet nicht genau eingrenzen.

Dabei gelten die Schweine doch eigentlich als scheu?

Buschmann: Naja, weil sie natürlich gejagt werden. Doch Wildschweine sind ja auch schlau und lernen dazu. Zum Beispiel, dass im Berliner Stadtgebiet nicht auf sie geschossen wird. Das ist für das Schwein praktisch (lacht). Und so können Wildschweine relativ zutraulich werden. Das mag dann zuweilen ganz putzig sein, führt aber eben auch zu Problemen.

Wie ist die Situation in Wuppertal?

Buschmann: Man bemüht sich in Wuppertal zu vermeiden, dass die Tiere, insbesondere von den Waldgebieten auf den Südhöhen, in den besiedelten Bereich eindringen.

Wie soll das gelingen?

Mehnert: Gegen die Ausbreitung von Wildschweinen hilft nur eine verstärkte Bejagung, die auch erfolgt. . .

Buschmann: . . .damit die Tiere merken, dass es in der Nähe von Siedlungen unruhig ist, sogar gefährlich, und dass sie sich von dort besser zurückziehen.

Müssen sich Spaziergänger und Hundehalter sorgen?

Buschmann: Nein. Wenn sie die Regeln befolgen, auf Wegen bleiben und den Hund in Reichweite halten, werden Spaziergänger tagsüber kaum einem Wildschwein begegnen. Wenn ein Hund aber ins Dickicht jagt und beispielsweise auf ein Wildschwein mit Nachwuchs trifft, kann es Ärger geben. Die Tiere sind zwar nicht aggressiv, haben aber messerscharfe Zähne und können, wenn sie sich bedroht fühlen, einen Hund mit einem kleinen Schubser regelrecht aufschlitzen.

Zum Glück sind die Schweine ja nachtaktiv und am Tag kaum zu sehen.

Buschmann: Genau das kann im Straßenverkehr aber zum Problem werden, wenn Wildschweine von Autos erfasst werden. Das ist gefährlich für Mensch und Tier. Wildschweine ziehen sich dabei Kopfverletzungen zu, gebrochene Kiefer — so schwere Verletzungen kommen in der Natur relativ selten vor. Oftmals gehen die Tiere dann qualvoll zugrunde.

Was sollte man als Autofahrer bei einem Wildunfall tun?

Buschmann: Zunächst einmal die Polizei verständigen — auch wegen des entstandenen Schadens am Auto. Und selbst wenn das Tier verletzt geflüchtet ist, ist das wichtig. Die Polizei verständigt dann meist den zuständigen Jagdpächter, also den Jäger, der dem Leiden des Wildschweins dann gegebenenfalls ein schnelles Ende bereiten kann oder sich darum kümmert, ein verletztes, geflüchtetes Tier mittels Spürhund zu finden.

Erst jüngst haben Wildschweine eine landwirtschaftliche Fläche zerstört. Wer kommt für den Schaden auf?

Mehnert: Der zuständige Jagdpächter. Grundsätzlich sollten er und der Landwirt sich auf eine Schadenregulierung einigen. Falls das nicht möglich ist, wird der Wildschaden in der Regel vom geschädigten Landwirt bei der Unteren Jagdbehörde angezeigt.

Was genau ist Ihre Aufgabe?

Mehnert: Die Untere Jagdbehörde greift im Bedarfsfall vermittelnd zwischen dem geschädigten Landwirt und dem Pächter ein. Außerdem berät sie alle Betroffenen.

Und was ist, wenn das Schwein den Vorgarten umgräbt?

Mehnert: Wildschäden können nur für Schäden an landwirtschaftlichen Flächen oder Waldgrundstücken von den Landwirten oder betroffenen Grundstückseigentümern geltend gemacht werden. Wildschäden auf Firmen- und Wohngrundstücken, in Gärten oder Vorgärten sind nicht schadenersatzpflichtig.

Zum Schluss: Es heißt ja gern: „So alt wird kein Schwein.“ Wie alt wird denn nun ein Wildschwein, wenn es nicht geschossen, angefahren oder sonstwie verletzt wird?

Buschmann: Oh, an die 15 Jahre können das schon sein. Wildschweine haben den Vorteil, Allesfresser zu sein. Es sind an sich recht robuste Tiere. Wenn der Lebensraum es hergibt, vermehren sie sich rege.