Gesundheit Wuppertal bekommt Selbsthilfegruppe für Fettleibige mit "Dickenflüsterer" Erlemeyer

Gevelsberg/Wuppertal · Christian Erlemeyer hat vor fünf Jahren 100 Kilo mehr gewogen. Nun hilft er Menschen vor Ort.

Christian Erlemeyer hat selbst Erfahrungen mit Fettleibigkeit gesammelt.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Dass Christian Erlemeyer noch vor gut fünf Jahren 100 Kilogramm mehr gewogen hat, mag man kaum glauben, wenn man den 33-Jährigen heute trifft. Umtriebig, locker, immer in Bewegung und mit sich im Reinen wirkt der gebürtige Hagener. Zugegeben: Er hat immer noch ein paar Kilogramm (derzeit sind es etwa 120) auf den Rippen, doch auf sein früheres Leben blickt er mit deutlichem Abstand zurück. „Ich sage immer: Ich bin angekommen!“ Mittlerweile lebe er glücklich und zufrieden mit Ehefrau und Hund in einem eigenen Haus in Gevelsberg-Silschede.

Doch Erlemeyer möchte auch anderen Menschen helfen, die ebenfalls Probleme mit dem Körpergewicht haben und unter Fettleibigkeit (Fachbegriff: Adipositas) leiden. Deshalb gründete er 2014 in Hagen die erste Selbsthilfegruppe für stark übergewichtige Menschen und rief das Adipositas-Netzwerk NRW ins Leben. Mittlerweile gibt es 20 Selbsthilfegruppen im Westlichen Westfalen sowie dem Siegerland. Am kommenden Montag kommt eine 21. Selbsthilfegruppe hinzu: Dann möchte Erlemeyer in der Färberei in Oberbarmen die erste Niederlassung seines Netzwerkes in Wuppertal implementieren.

Mit der Selbsthilfegruppe wolle er Betroffenen direkt vor Ort Hilfe anbieten, jede Frage und jedes Problem könne dort diskutiert und besprochen werden. Das ehrenamtliche Angebot ist kostenfrei und richtet sich nicht nur an Menschen, die an starkem Übergewicht leiden. „Auch Angehörige von Betroffenen, Hausärzte und Therapeuten können gerne dahin kommen“, erklärt Erlemeyer. Etwa 20 bis maximal 30 Personen sollten sich in der Gruppe zusammenfinden. Ziel sei es, Strukturen zu schaffen, die es der Gruppe ermöglichen, sich regelmäßig zu treffen und auch weitere Termine zur gemeinsamen Freizeitgestaltung zu organisieren.

Erlemeyer will gerade zu Beginn bei den Terminen in Wuppertal dabei sein, sich später aber nach und nach zurückziehen. Das Treffen soll locker sein, die Teilnehmer sollen nicht zuletzt am Beispiel des 33-Jährigen sehen, dass es nie zu spät ist, sein Leben zu ändern. Auch dann, wenn die Voraussetzungen nicht einfach sind.

Diäten brachten für
Erlemeyer nur den Jojo-Effekt

Er selbst sei „in schlechten Familienverhältnissen“ groß geworden, in einem Umfeld, in dem „Essen als Emotionsregulierung“ herhalten musste, erklärt Erlemeyer. Besonders schlimm sei es in seiner Ausbildung zum Einzelhandelskaufmann gewesen, als er „immer mehr zugenommen“ habe. Gleichwohl habe er sich immer auch für andere Menschen eingesetzt und zum Beispiel eine Rettungshelferausbildung beim Deutschen Roten Kreuz (DRK) absolviert. Dabei hatte Erlemeyer ein Erweckungserlebnis, als die DRK-Kräfte bei einem Einsatz einen etwa 200 Kilogramm schweren Mann, der einen Herzinfarkt erlitten hatte, nicht retten konnten, weil sie ihn nicht rechtzeitig aus dem Bett herausbekamen. „Da wurde mir erst bewusst, in welcher Gefahr ich lebte“, sagt der 33-Jährige.

Das war vor etwa zehn Jahren. Seitdem hat Erlemeyer mehrere Diäten ohne Erfolg erprobt - der Jojo-Effekt machte alles wieder zunichte und führte im Zweifel zu eher noch mehr Kilos. Den Durchbruch brachte dagegen im Jahr 2014 eine Magenverkleinerung, der sich drei Jahre später eine weitere Operation anschloss, die nötig wurde, weil Erlemeyer unter Sodbrennen litt. Seitdem ist der Heißhunger weg, gleichwohl entlässt ihn das nicht aus der Verantwortung, auf seine Ernährung zu achten, sich möglichst viel zu bewegen und aktiv zu sein, erklärt er. Einem großen Hobby kann der 33-Jährige mittlerweile auf jeden Fall ohne Probleme frönen: dem Motorradfahren.

Da Erlemeyer zudem seit einigen Jahren als Koordinations-Assistent im Adipositas-Zentrum eines Krankenhauses arbeitet, kennt er die Probleme stark übergewichtiger Menschen in all ihren Facetten, körperlichen Beschränkungen und psychischen Belastungen. Die Erfahrungen aus seinem Leidensweg und die Gespräche mit anderen Betroffenen haben zudem dazu geführt, dass er mittlerweile als „Dickenflüsterer“ deutschlandweit Vorträge zu dem Thema hält. Die Bezeichnung hat er vom „Pferdeflüsterer“ übernommen: Nicht allein deshalb, weil seine Frau und er ein Pferd haben. Auch die Analogie zwischen übergewichtigen Menschen und Vierbeinern scheint Erlemeyer angebracht: „Pferde sind sehr sensibel und reagieren auf alles. Das ist auch ein Stück weit mit uns Dicken so!“