Wuppertal Das Blaue Kreuz fängt Alkoholiker auf

Barmen. · 350 Klienten haben 2018 ihre Sucht therapieren lassen. Sie kommen aus allen Schichten der Gesellschaft.

 Fabienne Kroening (vorne), Jürgen Zielke-Reinhardt (l.) und Peter Schoofs (r.) greifen alkoholkranken Menschen unter die Arme.

Fabienne Kroening (vorne), Jürgen Zielke-Reinhardt (l.) und Peter Schoofs (r.) greifen alkoholkranken Menschen unter die Arme.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Rund 350 Menschen haben 2018 beim Blauen Kreuz Hilfe gesucht. Bei der Einrichtung melden sich Menschen, die ein Alkoholproblem haben. Das ist vielen nicht bekannt. „Ich kenne nur das ‚Rote Kreuz’, das ,Blaue Kreuz’ habe ich noch nie gehört“, sagten die meisten Passanten bei einer spontanen Umfrage der WZ am Kleinen Werth. „Das passiert oft. Die Menschen denken, wir sind das Rote Kreuz“, sagt Jürgen Zielke-Reinhardt, Vorsitzende des Suchtselbsthilfeverbandes „Blaues Kreuz“ in Wuppertal.

Obwohl die Organisation kaum bekannt ist, sind dem Thema Alkoholgenuss einige Leute näher, als sie es vielleicht wahr haben möchten. Wenn aus dem Genuss ein suchtartiges Verlangen wird, brauchen diese Menschen dringend Hilfe, den die neuerdings mit seinen verschiedenen Gruppen am Kleinen Werth sitzende Organisation anbietet.

Neben den Selbsthilfegruppen - die sich weiterhin an verschiedenen Orten der Stadt treffen - ist das Blaue Kreuz auch eine psychosoziale Beratungsstelle. Hier bietet Sozialpädagogin Fabienne Kroening mit ihrem Team neben der medizinisch-psychologischen Unterstützung für Betroffene auch verschiedene Nachsorgebetreuungen an.

Dagegen kümmert sich Peter Schoofs mit rund zehn Mitarbeitern im Bergischen um Menschen mit Alkoholproblemen. Dabei ist es das Ziel der Gruppe, dass diese noch, beziehungsweise wieder selbstständig wohnen können.

„Oft folgen Alkoholproblemen Depressionen, die wiederum eine Abwärtsspirale verursachen. Diese versuchen wir zu stoppen“, erklärt der 61-Jährige, der den Menschen auf vielfältige Weise Hilfe anbietet. Das kann von einfachen Unterhaltungen bis hin zu sportlichen Aktivitäten reichen. Schließlich geht es immer darum, dass die Menschen nicht an den Rand der Gesellschaft rücken, von wo sie nicht mehr weg kommen.

Mit Alkohol versuchen sich
einige Menschen selbst zu heilen

Auch wenn die Gruppen eigentlich autark agieren, sind die Übergänge so fließend, dass man immer miteinander arbeitet. „Genau damit können wir den Menschen helfen. Sie haben eine Anlaufstelle, und wir können, je nach dem welche Hilfe benötigt wird, von hier aus jede Maßnahme koordinieren“, beschreibt Kroening den großen Vorteil des Blauen Kreuzes.

Dass Alkoholproblematik nur in bestimmten Gesellschaftsschichten zu finden ist, können Zielke-Reinhardt, Schoofs und Kroening nicht bestätigen. „Das geht vom arbeitslosen Handwerker bis hin zum promovierten Manager und Arzt“, beschreibt Zielke-Reinhardt die Bandbreite der Betroffenen. „Der Alkohol bewirkt bei den Menschen was und dient nicht selten zunächst als positive Selbstmedikation“, sagt Schoofs.

Um Menschen den Kontakt zu erleichtern, geht Kroening einmal im Monat in das Jobcenter und bietet dort Beratungen an. „Nach dem Verlust der Arbeitsstelle ist die Hemmschwelle oft niedriger, unkontrolliert Alkohol zu konsumieren“, sagt die 30-jährige Sozialtherapeutin.

Während viele bei den Hilfesuchenden schnell an die Rituale der Anonymen Alkoholiker denken, die sich hinstellen und – gerade bei Rückfällen – sich outen und bloßstellen müssen, wird in den aktuell sechs Selbsthilfegruppen des Blauen Kreuzes jedem selbst überlassen, ob er in der großen Runde sprechen möchte.

„Zudem sind die Gruppen auch für Familienangehörige offen. Wichtig ist, dass Betroffene keine Hemmschwelle überwinden müssen, hinzugehen und sich zu melden“, sagt Jürgen Zielke-Reinhardt., dessen Mitarbeiter nicht selten Betroffene waren, nun aber abstinent sind, wie es in den Statuten des Vereins gefordert wird.

„Oft ist es so, dass wir zwar schwierige Themen haben, aber trotzdem lachen wir viel“, berichtet auch Kroening von alltäglichen Abläufen im Hause und lädt Betroffene zu einem Infogespräch ein.

Eine konkrete Faustregel, die besagt, ab wann man ein Alkoholproblem hat, möchten die drei Experten im Übrigen nicht geben. „Sobald man sagt, man hätte es im Griff und merkt dass man doch Verlangen danach hat, kann es zum Problem werden“, sagt Vereinsvorsitzender Zielke-Reinhardt.