Prävention Kinder und Jugendliche vor Missbrauch schützen

Die Gemeinde St. Laurentius lud zu einer Filmvorführung mit Diskussion ein.

Zahlreiche Missbrauchsskandale haben die katholische Kirche in den vergangenen Jahren erschüttert.

Foto: dpa/Friso Gentsch

Am Ende des Films zeigte das Knistern von Taschentuchpackungen, dass das Publikum berührt war: Gut zwei Stunden war das Publikum im voll besetzten Rex-Kino der Geschichte gefolgt, wie Journalisten der Zeitung „Boston Globe“ im Jahr 2001 aufdecken, dass die Kirche jahrelang sexuellen Missbrauch an Kindern durch Priester gedeckt hat. Eingeladen zu der Filmvorführung hatte die katholische Gemeinde St. Laurentius, die sich seit einigen Jahren intensiv mit der Prävention von Missbrauch beschäftigt. Nach dem Film diskutierten auf dem Podium Stadtdechant Bruno Kurth, Präventionsfachkraft Daniela Löhr, die Wissenschaftlerin Claudia Bundschuh und Dieter Verst, der ehemalige Jugendamtsleiter.

„Ein toller Film“, lobte Claudia Bundschuh, die viele Jahre über sexuelle Gewalt geforscht hat. „Er hat alle Facetten des Themas gut aufgegriffen.“ Im Film, der auf wahren Begebenheiten beruht, interviewen die Journalisten zahlreiche Opfer, die noch als Erwachsene unter den Erfahrungen leiden.

Die berichten, dass sie sich zunächst über die Aufmerksamkeit des Priesters freuten, dieser dann ihre Grenzen überschritt und sie missbrauchte. Und dass ihre Geschichte lange niemand hören wollte. Die Journalisten decken auf, dass insgesamt gegen 87 Priester solche Vorwürfe existierten, die Kirche aber seit Jahren eine angemessene Verfolgung verhinderte.

Die Kirche hat auf diesen und weitere Missbrauchsskandale reagiert. Im Erzbistum Köln sind die Gemeinden aufgefordert, ein Präventionskonzept zu entwickeln. Die Gemeinde St. Laurentius gehört zu den ersten, die ein solches Konzept vorgelegt haben.

Schulungen für alle Mitarbeiter, die mit Kindern zu tun haben

Daniela Löhr, Präventionsfachkraft in der Gemeinde, berichtete, dass sie jetzt alle Mitarbeiter schulen, die mit Kindern und Jugendlichen zu tun haben. Es gehe um Nähe und Distanz, wie man Missbrauch erkennt und wie man betroffenen Kindern helfen kann. Nach anfänglicher Skepsis seien die Teilnehmer am Ende stets von der Wichtigkeit des Themas überzeugt. Und es sei der Wunsch entstanden, es breiter zu diskutieren. Ergebnis sei die Filmverführung mit Diskussion.

Stadtdechant Bruno Kurth – nach dem aktuellen Engagement der Kirche gefragt – sagte, er habe den Eindruck, dass das Erzbistum Köln das Thema ernsthaft aufgegriffen habe: „Da hat sich Vieles verändert.“ In den Gemeinden habe man mit der Aufarbeitung begonnen: „Ich bin froh, dass wir in der Gemeinde einen Wandel in der Achtsamkeit erreicht haben.“

Dieter Verst forderte, wie die Kirchen müssten sich auch Sportvereine und andere Jugendorganisationen mit der Prävention beschäftigen. Er betonte, dass auch Frauen Täterinnen sein können. Und er prognostizierte, dass es Generationen dauern werde, den Missbrauch zu beenden, den es jahrhundertelang gegeben habe.

Auf die Frage, wie man Kinder schützen könne, verwies Claudia Bundschuh auf die Risikofaktoren: „In der Geschichte hatten die Kinder keinerlei Möglichkeit, sich zu beschweren.“ Auch eine Verteufelung der Sexualität erleichtere Missbrauch. Daher seien Beschwerdemöglichkeiten wichtig – und Aufklärung.

Kritik übte sie an der aktuellen Studie zu Missbrauch in der katholischen Kirche. Dafür sei nur ein ein kleiner Teil der vorhandenen Fälle aufgearbeitet worden. Es gebe bereits viele andere Studien: „Diese Studie ist ein Schritt zurück, hinter das, was wir schon wissen.“ Daniela Löhr berichtete, dass sie in der Gemeinde schon Veränderungen feststellen. Es gebe mehr Beschwerden und das Thema werde häufiger angesprochen. „Das braucht Mut.“

Es folgten zahlreiche Äußerungen aus dem Publikum, in dem auch viele Fachleute wie Präventionsfachkräfte saßen. Thema wurde dabei auch, was die Kirche strukturell ändern müsste. Dieter Verst forderte zum Beispiel eine sorgfältige Auswahl der Priester, mehr psychologische Ausbildung für sie und regelmäßige Supervisionen. Claudia Bundschuh warnte, den Zölibat als Ursache zu sehen: „Missbrauch hat wenig mit Sexualität zu tun, sondern mit Macht: Man kann Menschen nicht mehr erniedrigen als mit Sexualität.“