Wuppertal Institut Nachhaltige Wege aus der Wegwerfgesellschaft
Seit dem Lockdown nimmt Verpackungsmüll zu – innovative Ideen helfen beim Abfallvermeiden.
Seit der Corona-Pandemie verbringt der Großteil der Menschen, unter anderem wegen Homeoffice und Homeschooling, mehr Zeit zu Hause und isst kaum noch unterwegs oder im Restaurant. Die Deutschen greifen seit dem Lockdown zudem vermehrt zu Fertigessen: Laut Statistischem Bundesamt wurden zwischen Januar und September 2020 in Deutschland knapp 4,9 Prozent mehr Fertiggerichte hergestellt als im Vorjahr. Dadurch steigt daheim auch die Menge des Verpackungsmülls, und volle Abfallsäcke häufen sich.
Abfallunternehmen schätzen, dass dies bis zu 20 Prozent mehr Müll ausmacht. Aber schon vor der Pandemie hat Deutschland die traurige Rekordmarke von 3,2 Millionen Tonnen Kunststoffverpackungsabfall pro Jahr erreicht – mehr als doppelt so viel wie noch vor 20 Jahren. Das ist eine gigantische Menge, für die immer wieder neues Öl aus der Erde geholt werden muss, nur damit die Verpackung nach kürzester Zeit wieder im Abfall landet.
Dabei ginge es auch anders: Pioniere wie der erste Unverpackt-Laden in Wuppertal „Ohne Wenn und Aber“ zeigen, wie der gleiche Nutzen und weniger Müll entstehen. Zwar gäbe es ganz ohne Verpackungen sicherlich mehr verdorbene Lebensmittel, aber es geht definitiv schlauer als vier Scheiben Käse in einer PET-Schale, die sich noch nicht mal sinnvoll recyceln lässt. Doktorandinnen und Doktoranden am Wuppertal Institut erforschen daher, wie clevere Lösungen hierfür aussehen können und sich praktisch umsetzen lassen.
Darüber hinaus unterstützen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des Wuppertal Instituts zusammen mit Projektpartnern innerhalb des Projekts „KomAVP“ das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit (BMU) bei der Entwicklung eines neuen Abfallvermeidungsprogramms (AVP), das am 6. Januar 2021 verabschiedet wurde. Das Programm „Wertschätzen statt Wegwerfen“ ergänzt das erste AVP aus 2013, das nun auch Bürgerinnen und Bürgern, Unternehmen, Vereinen und anderen Institutionen konkret zeigt, wie sie Abfälle vermeiden können.
Immerhin: Ab dem 3. Juli 2021 sind verschiedene Einwegprodukte aus Plastik, die aus fossilen Rohstoffen wie Rohöl hergestellt werden, nicht mehr erlaubt. Dazu zählen etwa Trinkhalme, Rührstäbchen für den Kaffee, Einweg-Geschirr sowie To-go-Becher und Einweg-Behälter aus Styropor. Geplant ist zudem, dass ab 2023 alle Restaurants, Cafés und Supermärkte neben To-go-Einwegprodukten auch immer eine Mehrweglösung anbieten müssen.
Das Wuppertal Institut half zudem, ähnliche Lösungen in anderen Ländern zu etablieren, beispielsweise im Rahmen der „Prevent Abfall Allianz“ des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ).
Konkrete Ideen für
Konzepte zur Abfallvermeidung
Mit dem Verein zur Förderung der Abfallwirtschaft Region Rhein-Ruhr-Wupper e. V. versucht das Wuppertal Institut auch in der Region ganz konkrete Ideen für kommunale Abfallvermeidungskonzepte zu entwickeln, wie sich Abfallvermeidung, etwa mit kommunalen Verleihangeboten, unterstützen und einfacher in den Alltag integrieren lässt. Unternehmen, die früher ihr Geld mit immer mehr Müll gemacht haben, versuchen nun die Müllmengen zu reduzieren, weil sie verstanden haben, dass die Bürgerinnen und Bürger mehr wollen als nur die pünktliche Abholung ihres Abfalls. Daher beschäftigt sich das Wuppertal Institut mit der Frage, welche Unternehmen für abfallvermeidende Lösungen gemeinsam an den Tisch geholt werden müssen und wie sich damit auch noch Geld verdienen lässt.
Vielfältige Aspekte der Verpackungsreduktion
Das Buch „Einfach weglassen? Ein wissenschaftliches Lesebuch zur Reduktion von Plastikverpackungen im Lebensmittelhandel“ bietet einen Überblick über die Herausforderungen, Potenziale und Chancen des Weglassens von Verpackungen. Expertinnen und Experten aus Wissenschaft und Praxis beleuchten das Thema aus verschiedenen Blickwinkeln, diskutieren und illustrieren die vielfältigen Aspekte der Verpackungsreduktion im Lebensmitteleinzelhandel.
Henning Wilts, Leiter der Abteilung Kreislaufwirtschaft am Wuppertal Institut und Autor dieses Artikels, beleuchtet dort in zwei Kapiteln die Ökonomie der Abfallvermeidung und beantwortet, wo weniger Verpackungsabfall tatsächlich auch Geld spart und wie ein solches Denken die Logik unserer Wirtschaft verändern kann.