Gastbeitrag Wie die Verkehrswende nachhaltig gelingen kann

Gastbeitrag Im Hinblick auf Luftverschmutzung, Flächenverbrauch und Unfallrisiken gibt es Gestaltungsspielraum.

Das Wuppertal Institut.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Weltweit nimmt der Personen- und Güterverkehr rapide zu. Doch wie lässt sich der Verkehr so umgestalten, dass langfristig Mensch und Umwelt nicht übermäßig belastet werden? Dies steht im Mittelpunkt der nachhaltigen Mobilitätskonzepte, die auch einen wesentlichen Beitrag zur Lebensqualität in Städten leisten, Gesundheit fördern und Menschen Zugang zu Arbeit und sozialen Aktivitäten ermöglichen. Eine Voraussetzung dafür: Bestenfalls verzichten die Verkehrsteilnehmenden auf große, privat verwendete Fahrzeuge und begreifen Mobilität als Service, also kombinieren Fuß- und Radverkehr mit Bus, Bahn und Sharing-Systemen. Das vereinfacht auch die Elektrifizierung des Verkehrs, da Elektrifizierung sich auf Fahrzeuge mit hoher Kapazität wie etwa Busse und Fahrzeuge für die letzte Meile – beispielsweise E-Roller und E-Bikes – konzentrieren kann.

Zudem birgt eine Verkehrswende, die den Namen auch wirklich verdient, enormes Potenzial – nicht nur mit Blick auf die Klimakrise, denn: Global könnten mit einem stärkeren Fokus auf öffentliche und geteilte Fahrzeugflotten und Mobilitätsangebote über sechs Billionen Euro jährlich eingespart werden, wie Berechnungen des Wuppertal Instituts und der University of California (UC Davis) zeigen.

Leider sieht die Realität anders aus: Selbst in Deutschland als „Heimatland der Energiewende“ steigt die Zahl der Fahrzeuge stetig und der Trend zu immer größeren Autos setzt sich fort. Die Effizienzgewinne konventioneller Antriebe der Autos wurden in den vergangenen 20 Jahren fast vollständig durch mehr Pkw-Gewicht und höhere Motorleistung abgelöst. Der Anteil der in Deutschland gemeldeten SUV betrug Anfang 2019 satte 13 Prozent. Anfang 2009 waren es noch drei Prozent.

Die globale Fahrzeugflotte steuert derzeit auf zwei Milliarden Fahrzeuge auf den Straßen bis 2050 zu. Unabhängig von der Antriebstechnologie dieser Fahrzeuge wäre das eine Entwicklung, die – jenseits vom Erreichen der Klimaziele – massive Belastungen für Flächennutzung in Städten, Ressourcenverbrauch mit sich führt und keinen Beitrag zur Stauvermeidung und Verkehrssicherheit leistet.

Im Hinblick auf Luftverschmutzung, Flächenverbrauch und Unfallrisiken ist beim Verkehr weltweit noch viel Gestaltungsspielraum. Wie weiter umgehen mit dem heute größten globalen Problemverursacher – dem motorisierten Verkehr? An der Beantwortung dieser Frage arbeitet das Verkehrsexperten-Team des Wuppertal Instituts in mehreren Projekten: Im Rahmen der Urban Electric Mobility Initiative (UEMI), die das Wuppertal Institut zusammen mit dem Städteprogramm der Vereinten Nationen – UN-Habitat genannt – ins Leben rief, entwickeln Forschende innovative Konzepte und Geschäftsmodelle mit einem Fokus auf nutzerorientierte Mobilitätsangebote passend für das jeweilige Partnerland, wie zum Beispiel lokal produzierte elektrische Mini-Busse und -Taxis, Logistiklösungen und Sharing-Systeme.

Die Wissenschaftler des Wuppertal Instituts gehen innerhalb des Projekts „Solutionsplus“ noch einen Schritt weiter und zeigen zusammen mit 45 nationalen und internationalen Partnern in zehn Städten in Europa, Asien, Afrika und Latein-Amerika in Demonstrationsprojekten, wie elektrischer Personennahverkehr nachhaltig und ressourceneffizient wird. Das gerade gestartete Projekt ist mit rund 20 Millionen Euro die bislang größte von der Europäischen Kommission geförderte Initiative zur internationalen Zusammenarbeit im Elektromobilitätsbereich.