Offen gesagt Wuppertal ist wichtig
Eigentlich war alles schon wieder gut, vorübergehend zumindest. Die Sache mit der Bahnsperrung ist mit den erwarteten Blessuren abgelaufen, auf der Autobahn macht Wuppertal in den Staunachrichten jetzt auch schon zu Ferienzeiten Karriere.
Der Mensch gewöhnt sich an alles. Aber dann war da dieses Kaffee-Gespräch. „Wuppertal ist vom Bahnnetz genommen worden“, berichtete eine Studentin am Nebentisch. „Dann kann die Stadt ja nicht so wichtig sein.“ Und schon war der Ärger wieder da.
Ohne es ahnen zu können, hatte die junge Frau ihren Finger in die Wunde gelegt. Wuppertal ist wohl nicht so wichtig. Wirklich? Das ist genau das Problem. Das ist der Eindruck, der entsteht, wenn eine Stadt jeden morgen vom WDR in den Verkehrsmeldungen erwähnt werden muss. Das muss jeder denken, der hört, dass die Stadt für zwei, demnächst sogar für sechs Wochen vom Bahnnetz genommen wird. Eine Stadt, mit der Bahn und Baustellenplaner so umgehen können, hat bestimmt nichts zu melden. Stau? Egal. Verspätete Pendlerbusse? Na und. So sehen die das also in Berlin und Düsseldorf.
Diese Erkenntnis schmeckt bitter und wirft die Frage auf, wie es soweit kommen konnte. Als in Wuppertal noch Hans-Dietrich Genscher, Rudolf Dreßler und Wilfried Penner um die Gunst der Bürger buhlten, als Johannes Rau Minister- und später Bundespräsident gewesen ist, da wäre wahrscheinlich niemals jemand auf die Idee gekommen, Wuppertal mit all dem Planungschaos zu behelligen, der heute die Autos auf den Straßen stoppt und Bahnsteige leer fegt. Damals wäre niemandem eingefallen, Wuppertal sei wohl nicht so wichtig. Heute ist das offenbar anders.
Aber wie ist das möglich? Die Wahrnehmung einer Stadt hängt in erster Linie davon ab, wie ihre Repräsentanten auftreten. Die Bundesrepublik Deutschland funktioniert föderal. Sie ist von unten nach oben sortiert. Städte und Gemeinden bilden die Basis für alles. Sie entsenden per Wahl durch die Bürger Vertreter in Länder und Bund. Dort sollen die Gewählten die Interessen ihrer Wähler vertreten. Derzeit also müssten die Herren Bialas, Neumann, Bell (SPD), Spiecker (CDU) und Hafke (FDP) in Düsseldorf aufbegehren, wenn der Landesbetrieb für Straßenbau mit seiner ignoranten Arbeitsplanung auf der A 46 Stillstand erzeugt. Gleichzeitig müssten die Herren Hardt (CDU) und Zöllmer (SPD) beim Bahnvorstand in Berlin auf der Matte stehen und die Interessen der Wuppertaler Bahnkunden vertreten. Schön wär’s gewesen.
Statt dessen entsteht das ungute Gefühl, dass die Abgeordneten nicht die Interessen der Stadt in Land und Bund vertreten, sondern die Interessen von Land und Bund in der Stadt. Vielleicht hat sie das alles auch gar nicht recht interessiert. So ist das föderale System aber gar nicht gedacht.
Wuppertal ist wichtig. Es ist nicht wichtiger als Dortmund, Braunschweig oder Nürnberg. Aber auch nicht unwichtiger. Deshalb braucht Wuppertal politische Vertreter, die im Lastenverteilungswettbewerb Muskeln spielen lassen und nicht alles kleinmütig erdulden. Wuppertal braucht Politiker, die deutlich sagen, was sie für ihre Wähler in Düsseldorf beziehungsweise Berlin leisten wollen, die dazu beitragen, dass in keinem Kaffeegespräch mehr gemutmaßt wird, diese Stadt sei wohl nicht wichtig. Am 14. Mai wird in NRW gewählt, am 24. September in ganz Deutschland. Das sind tolle Gelegenheiten, den Bürgern klar und deutlich zu sagen, warum sie ihr Kreuzchen auch zum Wohle Wuppertals wo machen sollten.