Hindernisse für Menschen mit Behinderung Frau mit behinderter Tochter durfte nicht einkaufen - Kind trug keine Maske

Svetlana Rotar-Lahr wollte mit ihrer mehrfach schwerstbehinderten Tochter einkaufen - die kann keine Maske tragen und wurde des Ladens verwiesen. Auch in der Schwimmoper gab es Probleme wegen der Tickets.

Die Tochter von Svetlana Rotar-Lahr im Zuhause der Familie. Die Mutter lebt mit ihr alleine, kümmert sich vollzeit um sie. Die Tochter kann keine Maske tragen. Dass sie deshalb nicht in Geschäfte darf, findet die Mutter nicht nachvollziehbar.

Foto: Schwartz, Anna (as)

Svetlana Rotar-Lahr hat eine mehrfach schwerstbehinderte Tochter. Elf Jahre alt. Und der Umgang mit ihrer Tochter in Zeiten von Corona bereitet ihr Sorgen. Er ärgert sie vielmehr. In kurzer Zeit sind ihr zwei Dinge passiert, die ihr besonders nahegehen. Und die im Grunde nicht nur sie und ihre Tochter betreffen, sondern viele Menschen mit behinderten oder anderweitig medizinisch eingeschränkten Verwandten - und vor allem Menschen, die selbst eine Behinderung haben.

Der erste Fall passierte ihr im Einzelhandel. Rotar-Lahr habe am 13. Juni mit ihrer Tochter den Einzelhändler TK Maxx in der Elberfelder Innenstadt betreten wollen. An der Tür des Ladens stehen Mitarbeiter, die die Kunden zählen – maximal 350 Menschen sollen laut Aushang hinein – und die Maskenpflicht überprüfen. „Eine junge Dame an der Tür sagte, meine Tochter müsse Mundschutz tragen“, erinnert sich Rotar-Lahr. „Ich sagte ihr: ‚Nein, muss sie nicht’ und bin weitergegangen.“ Die Mitarbeiterin habe dann einen Kollegen dazugeholt und nochmal auf die Mund-Nase-Schutz-Pflicht hingewiesen, Rotar-Lahr habe wiederholt, ihre Tochter müsse das nicht tragen - aus medizinischen Gründen. Dann sei sie dennoch des Ladens verwiesen worden.

„Ich war geschockt und aufbrausend“, gibt Rotar-Lahr zu. So etwas habe ich bis jetzt nicht erlebt. Die Maskenpflicht in NRW gilt seit dem 27. April - aber sieht eben auch die Ausnahme vor, dass Kinder im Vorschulalter und Menschen mit medizinischen Problemen, keine Masken tragen müssen.

Im Anschluss schrieb Rotar-Lahr eine Mail an das Kundencenter der Firma, sie habe zusätzlich angerufen, als es keine Antwort gegeben habe. Dort habe man ihr gesagt, man habe Hausrecht angewendet. Das sei rechtens.

Als Alleinerziehende geht sie fast immer mit der Tochter einkaufen

Für Rotar-Lahr ist so etwas problematisch. Sie ist alleinerziehend, kümmert sich vollzeit um ihre Tochter. Zwar komme eine Betreuerin bei Bedarf - aber spontan einkaufen müsse und wolle sie eben doch mit ihrer Tochter. Und der könne man keine Maske aufsetzen. Allein, weil man ihr nicht kommunizieren könne, was da passiert. Sie ist geistig und körperlich behindert und zudem Asthmatikerin.

Rotar-Lahr hat sich an die Stadt gewandt, an die Landesbeauftragte für Menschen mit Behinderung, ebenso an die WZ. Bei der Stadt sagt Pressesprecherin Martina Eckermann, dass solche Fälle vorkommen. Auf den Einzelfall könne sie nicht eingehen. Aber generell versuche die Stadt, dann durch das Ordnungsamt Gespräche mit Filialleitern oder Inhabern zu führen und Sensibilität anzumahnen.

Aber, Eckermann hat auch Verständnis für die Inhaber, die in der Verantwortung für Mitarbeiter und Kunden sind. Es gebe eben auch Beschwerden, wenn Menschen ohne Masken in Geschäften seien. Und falls es zu Ansteckungen komme, sei der Geschäftsinhaber eben verantwortlich.

Außerdem, das geht aus einem Schreiben der Landesbeauftragen für Menschen mit Behinderung hervor, steht das Hausrecht „über den Bedürfnissen der einzelnen Menschen, die eigentlich vom Tragen der Mund-Nase-Bedeckung befreit sind“. TK Maxx hat demnach nichts falsch gemacht.

Die Landesstelle hat demnach den Einzelhandel kontaktiert, und öffentlich darum gebeten, Menschen mit Behinderung die Teilhabe am öffentlichen Leben zu ermöglichen, indem von der Pflicht zur Mund-Nase-Bedeckung abgesehen wird. Viele Händler sollen wohlwollend reagiert haben und zugesichert haben, ihre Mitarbeiter entsprechend zu schulen.

Die Landesbeauftragte  Claudia Middendorf sagt schon Mitte Mai: „Aus meiner Sicht hat unsere Gesellschaft die Pflicht, Rücksicht auf die Menschen zu nehmen, die keinen Mund-Nase-Schutz tragen können und Ihnen mit Verständnis, statt mit Ablehnung entgegenzutreten.“

TK Maxx hat sich nach einer telefonischen und zwei schriftlichen Anfragen der WZ nicht zu dem Vorfall geäußert.

Jörg Werner, stellvertretender Vorsitzender des Behindertenbeirats, kennt solche Fälle. Er sieht das Problem darin, dass die Firmen und Mitarbeiter nicht gut genug informiert sind über die Bedürfnisse Betroffener.

Auch beim Schwimmen gibt
es Probleme wegen Corona

Rotar-Lahr hatte aber noch ein zweites Erlebnis, das sie ärgert. Denn sie hatte geplant, mit ihrer Tochter Schwimmen zu gehen, in die Schwimmoper in Elberfeld. „Wir können ja nicht immer nur spazieren gehen“, sagt sie. Sie wollte der Tochter eine Freude machen.

Am Telefon informierte man sie aber, dass sie die Tickets online kaufen müsse - und dass sie als Begleitperson nicht mehr kostenfrei ins Bad komme, während der Corona-Zeit.

Stadtsprecherin Martina Eckermann erklärt, dass die Corona-Maßnahmen, die man für die Öffnung des Schwimmbads angeordnet habe, die Ursache seien. „Wir sind wegen des Sicherheitskonzepts verpflichtet, die Besucherzahl zu beschränken.“ Besucher müssen online Tickets kaufen. Es dürfen nur 60 Menschen gleichzeitig da sein: Über die Online-Tickets werde das nachgehalten. Und dabei gebe es eben keine Möglichkeit, Tickets ohne Kosten zu kaufen - also könnten Begleitpersonen eben aktuell nicht kostenfrei ins Bad. Eckermann sagt, die Stadt habe sich bemüht, das anders zu regeln, und bedauere das. Aber man habe zumindest die Preise gesenkt - von 4,50 auf 3 Euro für einen Erwachsenen.

Für Jörg Werner, den stellvertretenden Vorsitzenden des Behindertenbeirats, ist das ärgerlich. Erstens, weil der Beirat mit der Stadt die Regelung für kostenfreie Begleitpersonen ausgehandelt habe - und zweitens weil der Beirat über die Änderung während der Corona-Zeit nicht informiert worden sei. „Es kann nicht sein, dass wir darüber nicht informiert werden“, sagt er. Das werde der Beirat mit der Stadt „intensiver besprechen“, kündigt Werner an.