Corona-Pandemie Wuppertal plant Impfkampagne in sozialen Brennpunkten
Wuppertal · In Wuppertal soll eine Corona-Impfkampagne in sozialen Brennpunkten gestartet werden. Es geht laut Stadt etwa um Menschen, die arm sind, auf wenig Raum leben oder Sprachdefizite haben.
Die Stadt hat angekündigt, eine Impfkampagne in sozialen Brennpunkten zu starten. Das erste Treffen einer Koordinierungsgruppe hat am Mittwoch stattgefunden. Es sei geplant gewesen, bevor Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) am selben Tag die Pläne für solche Aktionen verkündet hatte, sagen Krisenstabsleiter Johannes Slawig und der Leiter der Ausländerbehörde, Hans-Jürgen Lemmer. Lemmer sitzt zusammen mit Tobias Krebber, dem Impfkoordinator der Stadt, in der Projektgruppe.
Armin Laschet hatte am Mittwoch angekündigt, in den sozialen Brennpunkten der Großstädte besondere Impfaktionen mit mobilen Teams und einer Info-Kampagne anzusetzen. Wo Menschen in beengten Wohnverhältnissen lebten, sei die Ansteckungsgefahr größer als im großzügig angelegten Einfamilienhaus, sagte Laschet am Mittwoch im Landtag.
Johannes Slawig betont, es gehe nicht nur um Menschen mit Migrationshintergrund, sondern um Menschen in beengten Wohnverhältnissen, mit schwierigen Arbeitsbedingungen und etwa Bildungs- und Sprachdefiziten. Diese würden sich einerseits häufiger anstecken, andererseits seien sie über eine reguläre Ansprache über die Medien oder Ärzte nicht zu erreichen, weil es etwa an Sprachkompetenz fehle oder es keine oder kaum ärztliche Versorgung gebe.
Kein Vertrauen in
staatlich organisierte Impfaktion
Das betreffe etwa auch einige Tausend aus der EU zugewanderte Menschen. Diese hätten in den ersten fünf Jahren ihrer Zeit in Deutschland keinen Anspruch auf Amtsleistungen und ärztliche Versorgung, erklärt Lemmer. Zudem gebe es auch Menschen, die vor staatlicher oder gesellschaftlicher Repression nach Deutschland geflüchtet seien und daher erst einmal kein Vertrauen in den Staat oder gar staatlich organisierte Impfaktionen hätten. „Da gibt es teilweise kein Urvertrauen gegenüber einem Staat“, erklärt Lemmer. „Das müssen wir erst aufbauen.“
Dafür plant die Ausländerbehörde etwa einen speziellen Corona-Newsletter in zehn Sprachen. Der soll auf der Internetseite der Stadt veröffentlich werden und über die Vereine, die in den Zuwanderergemeinschaften vernetzt sind, in den Sozialen Medien verteilt werden. Zudem soll ein Podcast mit Infos produziert werden, der die Zuwanderer eben nicht per Schrift, sondern über gesprochene Sprache erreichen soll.
Die Zielgruppe genau zu beziffern, sei schwer. Zwar gebe es 76 000 Menschen mit ausländischem Pass in Wuppertal, aber die seien bei weitem nicht alle Teile der Zielgruppe. Lemmer betont, die große Besonderheit sei das Thema Sprache. Zudem seien auch viele Deutsche für die Impfkampagne schwer zu erreichen, die keine Medien nutzen, staatlichen Institutionen misstrauen oder Probleme haben, die Informationen zu verstehen.
Slawig erklärt, es gebe keine Hotspots mit besonders vielen Ansteckungen. Doch es spreche einiges dafür, dass es vor allem in engen Wohnverhältnissen zu vielen Corona-Infektionen komme. „Aber wir wissen nicht sicher, wo sich die Menschen infiziert haben“, macht er deutlich.
Sozialdezernent Stefan Kühn berichtet, dass 60 Prozent der positiv getesteten Menschen angeben, dass sie nicht wüssten, wo sie sich angesteckt haben. 30 Prozent nannten private Haushalte als möglichen Ansteckungsort. „Und dabei geht es nicht um Partys“, betont Kühn. Es gehe vielmehr darum, dass wenn ein Familienmitglied angesteckt sei, auch andere schnell betroffen seien. Das gilt besonders für kleine Wohnungen.
Slawig erklärt, man werde abwarten, wie das Land „Brennpunkte“ definiert, und sich danach richten. Er gehe davon aus, dass die Impfaktion neben der regulären Impfpriorisierung stattfinden werde, um in die jetzige Reihenfolge keine Unruhe zu bringen. „Für die Aktion brauchen wir sehr, sehr viel Impfstoff“, sagt er. Die Menschen aus prekären Verhältnissen gesondert anzusprechen, sei wichtig, „weil man sie sonst nicht erreicht. Sonst läuft das Infektionsgeschehen weiter. Wir brauchen eine Impfquote von 60 bis 70 Prozent.“