Wuppertaler Traditionsunternehmen Vorwerk meldet neuen Umsatzrekord – trotz des Ukrainekrieges und der Pandemie
Wuppertal · Ob Thermomix oder Kobold-Staubsauger: Der Hausgerätehersteller profitiert in der Corona-Pandemie von seinem Direktvertrieb. Trotzdem ist umstritten, ob die Verkaufspartys im Zeitalter des Onlinehandels Zukunft haben.
Das Geschäft beim Wuppertaler Hausgerätehersteller Vorwerk brummt dank des Erfolgs der Luxus-Küchenmaschine Thermomix und guter Verkaufszahlen im Staubsaugergeschäft - trotz Ukrainekriegs und Corona-Pandemie. „Von sinkender Kauflust wegen der hohen Preissteigerungen bei Energie und Lebensmitteln sehe ich in den Zahlen noch nichts“, sagte Vorwerk-Chef Thomas Stoffmehl der Deutschen Presse-Agentur.
Insgesamt steigerte das Familienunternehmen nach den am Dienstag vorgelegten Zahlen seinen Umsatz im vergangenen Jahr um 6,4 Prozent auf 3,4 Milliarden Euro. Auch das Ergebnis habe sich positiv entwickelt, sagte der Manager. Und das erste Quartal 2022 sei sogar eines der besten in der Firmengeschichte gewesen.
Wichtigstes Produkt bleibt für Vorwerk der über 1300 Euro teure Thermomix, auf den rund die Hälfte des Gesamtumsatzes entfiel. Aktuell kämpft der Konzern allerdings bei dem Edel-Küchenhelfer mit Lieferproblemen. „Wegen eines einzigen schwer zu bekommenden Bauteils - eines Mikro-Controllers - mussten wir die Thermomix-Produktion drosseln und haben aktuell zehn bis elf Wochen Wartezeit bei diesem Gerät“, sagte der Manager. Doch hofft das Unternehmen, den Engpass nach dem Spätsommer überwunden zu haben. Im zweiten Halbjahr will Vorwerk dann Stoffmehl zufolge auch den Preis für den Thermomix „sehr moderat“ erhöhen.
Ein Comeback erlebte 2021 die zuletzt schwächelnde Staubsaugersparte. Hier stiegen die Umsätze um 16,5 Prozent auf 819 Millionen Euro. Schon 2023 sollen die Umsätze die Milliardenschwelle erreichen. Dabei räumte Stoffmehl ein, dass Vorwerk in diesem Bereich noch Schwachpunkte habe. „Aktuell sind wir beim Thema Staubsaugerroboter noch nicht gut genug aufgestellt.“ Vom aktuellen Modell VR300 habe das Unternehmen nur eine relativ geringe Stückzahl verkauft. „Wir werden hier eine weitere Innovation brauchen. Der Saugroboter ist nach wie vor eine Nische auf dem Staubsaugermarkt, aber es ist eine Nische, die wichtiger wird und die wir besetzen müssen.“
Der Blick nach vorn fällt bei Stoffmehl durchaus optimistisch aus. „Wir planen auch ein Rekordjahr 2022, wenn uns die allgemeine geopolitische Lage da keinen Strich durch die Rechnung macht.“
Ausschlaggebend für den Erfolg der vergangenen Jahre sind in den Augen des Managers vor allem der Direktvertrieb und die gestiegene Zahl der Beraterinnen und Berater. „Viele Leute haben uns geraten, stärker in den Onlinehandel einzusteigen. Dort gebe es Riesenpotenzial für Vorwerk. Das ist totaler Quatsch“, meinte Stoffmehl. „Die Leute, die unsere Produkte kaufen, wollen die persönliche Beratung. Die wollen nicht eine Preisvergleichsmaschine, die wollen wissen, ob der Thermomix für ihre persönlichen Aufgabenstellungen die richtige Lösung ist.“ Dafür seien die Beraterinnen und Berater unersetzlich. Auch das - eher kleine - Online-Geschäft sei deshalb im Unternehmen „untrennbar mit dem Berater verknüpft“.
Nicht alle Branchenkenner teilen die Einschätzung. Der Marketingexperte Martin Fassnacht von der Wirtschaftshochschule WHU in Düsseldorf etwa ist überzeugt: „Der Direktverkauf hat seinen Höhepunkt überschritten. Der Verbraucher erwartet heute einen möglichst einfachen und reibungslosen Einkauf und findet das im Internet.“ Auch der Thermomix werde sich diesem Trend auf Dauer nicht entziehen können: „Denn die Menschen sind mittlerweile gewohnt, auch teure Produkte online zu kaufen.“ Und wer Beratung im Umgang mit dem Küchenhelfer brauche, könne die ja statt auf Verkaufspartys jederzeit auf Youtube finden.
Tatsächlich kommen längst nicht alle auf den Direktvertrieb spezialisierten Unternehmen so gut durch die aktuellen Turbulenzen wie es Vorwerk bislang gelingt. 2021 sei für die Direktvertriebsunternehmen nach allem, was man in der Branche höre, zwar wohl ganz überwiegend ein gutes Jahr gewesen, sagte der Geschäftsführer des Bundesverbandes Direktvertrieb Deutschland (BDD), Jochen Clausnitzer. Aber: „Der Start ins laufende Jahr war bei vielen Unternehmen holpriger.“ Durch die hohen Corona-Inzidenzen seien viele Partys ausgefallen. Und hinzu komme die Verunsicherung der Verbraucher durch den Ukrainekrieg.
Während etliche Direktvertriebler also aktuell mit der sinkenden Kauflust der Menschen zu kämpfen haben, will Vorwerk vielleicht noch in diesem Jahr selbst auf Einkaufstour gehen. „Wir sind auf der Suche nach einer dritten Säule für unser Unternehmen neben Thermomix und Kobold“, sagte Stoffmehl. „Teil unserer Zukunftsstrategie ist es, ein oder mehrere etablierte Unternehmen zu kaufen, die unser Angebot rund um das Thema Haushalt abrunden.“ Sie müssten nicht einmal zwingend im Direktvertrieb tätig sein.