Wuppertal Wuppertal will Abwasser als Energiequelle nutzen
Die Stadt Wuppertal will Wärme aus Kanälen gewinnen und so das Schauspielhaus und das Historische Zentrum umweltfreundlich beheizen.
Wuppertal. Warmes und heißes Wasser fallen täglich in jedem Haushalt in großen Mengen als Abwasser an. Wer duscht oder ein heißes Bad nimmt, lässt viele Liter in den Abfluss fließen. Auch aus Spül- und Waschmaschinen strömen ungezählte Liter in die Kanalisation. Das Gebäudemanagement der Stadt Wuppertal (GMW) hat die Abwasser als energiesparende und umweltschonende Energiequelle entdeckt und will sie zur Heizung und Kühlung von zwei ganz besonderen Gebäuden einsetzen.
Schon ganz konkret sind die Pläne für den „Ankerpunkt China NRW“, der ab 2020 Engelshaus und Museum für Frühindustriealisierung baulich verbindet. Auch im Pina-Bausch-Zentrum soll die Technik angewendet werden. Hinter diesem Projekt steht wegen der nicht gesicherten Finanzierung der Betriebskosten allerdings ein Fragezeichen.
Annette Sengespeick, Teamleiterin Versorgungstechnik beim GMW, hatte die Idee, bei der Energieversorgung ganz neue Wege einzuschlagen. „Beide Standorte erfüllen eine wichtige Voraussetzung, da in ihrer Nähe ein Hauptsammler verläuft“, sagt Sengespeick. In diesen Hauptsammler schwimmt praktisch alles, was die Wuppertaler im Laufe eines Tages „abfließen“ lassen. „Abwasser sind im Winter durchschnittlich zehn bis zwölf Grad warm, im Sommer liegen die Temperaturen zwischen 17 und 20 Grad. Es ist also genügend Wärme vorhanden, die dem Wasser entzogen werden kann“, erläutert Sengespeick.
Für das Schauspielhaus würde die Südstadt die nötige Energie liefern. In Höhe des Sopp’schen Pavillons müsste auf einer Länge von 70 Metern eine Art Manschette um den Kanal gelegt werden. Um den Wärmetauscher einzubauen, könnte ein Tunnel unter der B 7 genutzt werden. „Dazu muss die B 7 nicht aufgerissen werden“, sagt GMW-Chef Uwe Flunkert.
Zunächst aber soll der Wärmetauscher im Historischen Zentrum zum Einsatz kommen, denn dieses Projekt ist „in trockenen Tüchern“. Hierzu würde eine 40 Meter lange Ummantelung des Kanals, der von Barmer Haushalten „gespeist“ wird, erforderlich sein. „Diese Technik ist neu und wird bisher fast nur von Industrieunternehmen eingesetzt“, erklärt Sengespeick. Für das „unterschätzte Potenzial im Kanal“ wirbt ein Unternehmen in Süddeutschland mit der These, dass 24 bis 28 Prozent des Energiebedarfs der Gebäude in Deutschland über Abwasser gedeckt werden könnten.
„Schon bei Wassertemperaturen von fünf Grad, wie zum Beispiel im Tiefbrunnen für die Kita an der Blutfinke in Ronsdorf, ist ein Wärmetauscher effektiv“, sagt Flunkert. Er ist überzeugt, dass aus dem Abwasser mit jeweils einem Anteil Strom, der vor allem für die Pumpen benötigt wird, drei Teile Energie erzeugt werden können. „Und das ohne negative Auswirkungen auf die Umwelt und mit einer absolut geräuschlosen Technik“, so Annette Sengespeick. „Wir möchten Vorbild sein“, sagt Flunkert, der überzeugt ist, dass dieses System preisgünstiger ist als eine klassische Heizung.
Bei der Diskussion um die Betriebskosten für das Pina-Bausch-Zentrum könnte dieses Heizungs- und Kühlungssystem ein wichtiges Argument sein. Schließlich müssten Bund, Land NRW und die Stadt insgesamt mehr als zehn Millionen Euro pro Jahr an Betriebskosten stemmen.
Im November 2020 soll das Engels-Zentrum zum Geburtstag des Philosophen eröffnet werden. Vor nationalen und internationalen Gästen könnte sich Wuppertal damit schmücken, wie einst bei der industriellen Revolution nun auch bei der Energiewende die Nase vorne zu haben. Das Wuppertal-Institut will im Engelsjahr 2020 die Erinnerung an Engels mit aktuellen politischen und wirtschaftlichen Entwicklungen im Zeitalter der Globalisierung und Digitalisierung in Verbindung bringen. „Dass das neue Engels-Zentrum damit auch ein Ort für innovative Energiestrategien werden soll, ist ein schönes Signal“, sagt Uwe Schneidewind, Leiter des Wuppertal Instituts.