Interview Wuppertalbewegung: „Wir sind noch lange nicht fertig mit unseren Trassen“
Wuppertal · Carsten Gerhardt, Chef der Wuppertalbewegung, spricht über die Zukunft des Radweges und Circular Valley. Ein Interview.
Der Chef der Wuppertalbewegung spricht über die Zukunft des Rad- und Wanderweges, Tempolimits und Kameraüberwachung, die Entwicklung rechts und links der Strecke – und was Circular Valley damit zu tun hat.
WZ: Herr Gerhardt, in letzter Zeit hört man von Ihnen vor allem im Zusammenhang mit dem „Circular Valley“. Sind Sie „fertig“ mit der Nordbahntrasse?
Carsten Gerhardt: Der Weg als solcher, insofern dass er benutzbar ist, ist natürlich fertig. Aber viele Bauwerke sind noch nicht fertig, und da werden wir natürlich weiter ein Auge drauf haben.
WZ: Das liegt aber im Aufgabenbereich der Stadt, oder?
Gerhardt: Ja, aber wir wollen da unterstützen, insbesondere mit unseren Erfahrungen aus den Arbeiten an der Schwarzbachtrasse. Nehmen wir zum Beispiel die Brücke der Nordbahntrasse an der Sedanstraße. Das ist eine alte Stahlbrücke, die bisher überhaupt nicht saniert wurde. Da wollen wir sicherstellen, dass sie nicht weiter verfällt, dann irgendwann komplett baufällig ist und abgerissen werden muss. Wir wollen nicht, dass da eine moderne Betonbrücke hinkommt.
WZ: Sie sind kein Fan von Neubauten?
Gerhardt: Es sind ja leider schon einige sehr schöne alte Bauten gewichen, und das beeinträchtigt den Charakter der Trasse.
WZ: Sie konzentrieren sich aber nicht nur auf die Entwicklung der Trasse direkt?
Gerhardt: Nein, es geht uns auch um die Flächen drumherum. Wir möchten, dass da etwas Schönes entsteht, dass der Allgemeinheit nutzt. Das ist das Primat für uns. Etwas, das für jeden zugänglich ist.
WZ: Wie sehen Sie denn in diesem Zusammenhang neue Wohngebiete an der Trasse?
Gerhardt: Neue Wohngebiete ja. Aber eben auch öffentliche Verweilplätze. Bitte nicht aus allen alten Fabrikhalten Luxus-Lofts machen. Und wenn was Neues gebaut wird wie zum Beispiel am Heubruch, ist für uns auch wichtig, dass es nicht zu nah an die Trasse rückt. Der Charakter als ehemalige Bahntrasse muss einfach erhalten bleiben.
WZ: Es gibt noch die eine oder andere Brache am Rand der Trasse. Wo sehen Sie Potenziale?
Gerhardt: Es gibt ja zwei Möglichkeiten, dass die verschwinden: Sie können einer Wohnbebauung weichen, aber auch zu einem öffentlichen Verweilort werden. Gerade das unterstützen wir. Die Trasse darf nicht nur ein schmales Band werden, an dem rechts und links nichts mehr gemacht werden kann.
WZ: Ein Beispiel wäre doch der Bahnhof Varresbeck, den die Renaissance AG im kommenden Jahr entwickeln will, etwa mit einem Biergarten. Oder die Pläne am Eskesberg von Herrn Deutsch, wo ebenfalls Gastro geplant ist.
Gerhardt: Auf jeden Fall. Andere Beispiele wären der Bahnhof Mirke, aber auch eine weitere Entwicklung in Wichlinghausen.
WZ: Mehr Verweilflächen am Rand bringen aber auch eine bekannte Diskussion wieder auf: An der Nordbahntrasse fehlen öffentliche Toiletten.
Gerhardt: Das ist ein großes Anliegen auch der Wuppertalbewegung. Wir brauchen öffentliche Toiletten. Deshalb muss bei allen Projekte im Kontext auch daran gedacht werden. Es ist nie so billig eine Toilette zu bauen, wie wenn man das im Rahmen einer ohnehin stattfindenden Baumaßnahme „mitmacht“.
WZ: In der Vergangenheit haben Sie auch gerne von der Nordbahntrasse als möglichen „längsten Campus der Welt“ gesprochen. Wie weit sind diese Pläne?
Gerhardt: Die Idee steht sehr hoch oben auf unserer Agenda und ist aktueller denn je – natürlich zusammen mit unserem Projekt „Circular Valley“. Viele Menschen interessieren sich sehr für Themen wie Umweltschutz und Ressourcenschonung, und dazu würden natürlich Lernplätze und Reallabore auf und an der Trasse von West nach Ost gut passen. Die wären dann nämlich da, wo die Menschen leicht hinkommen.
WZ: Wen sprechen Sie denn an?
Gerhardt: Im Prinzip alle. Studenten können dort lernen, aber man erreicht auch die breitere Öffentlichkeit. Die Menschen können viel leichter an das Thema „Zirkuläre Wertschöpfung“, worum es eben bei Circular Valley geht, herangeführt werden, wenn man nicht „jwd“, also ganz weit draußen sitzt, sondern auf der Trasse mittendrin ist.
WZ: Mit der Trasse ist es damals einfach gewesen: Sie konnten den Wuppertalern erklären, aus der alten Bahnstrecke wird ein Rad- und Wanderweg, das war leicht nachvollziehbar. Ist das bei Circular Valley schwieriger?
Gerhardt: Definitiv. Aber das Interesse ist riesig. Die wichtigste Komponente bei der Kreislaufwirtschaft ist aber, dass jeder mitmacht. Ich nehme mal drastische Beispiele: Wenn jemand seinen Ölwechsel irgendwo im Wald macht oder seine alte Autobatterie im Hausmüll entsorgt, dann kommt die Industrie da nie mehr dran. Deshalb muss man für dieses Thema Verständnis schaffen.
WZ: Wo sehen Sie dafür Möglichkeiten an der Trasse?
Gerhardt: Zum einen kann man dort Informieren, etwa über Projekte. Oder über Beispiele, wo die Kreislaufwirtschaft schon funktioniert. Bei der Einführung des Dosenpfands gab es viel Kritik. Aber heute sind wir in Deutschland in der Lage, Dosen fast zu 100 Prozent im Kreislauf zu führen. Und zwischen dem Zeitpunkt, in dem Sie die Dose in den Pfandautomaten werfen und dem, wenn sie wieder neu befüllt im Supermarktregal steht, vergehen nur 60 Tage. Da machen die Menschen gut mit, getriggert natürlich über den Dosenpfand. Aber Potenziale gibt es viele und darauf wollen wir auch an der Trasse aufmerksam machen. Es bietet sich eine Art Lernpfad an. Wie der aussehen könnte, darüber machen wir uns jetzt Gedanken.
WZ: Der Bahnhof Varresbeck wird umgestaltet, am Heubruch wird neu gebaut, auch am Rott entstehen neue Wohnungen. Dazu kommen Projekte wie der neue Spielplatz am Wichlinghauser Bahnhof. Doch nicht alles läuft. Vielen ist der Stillstand am Bahnhof Ottenbruch ein Dorn im Auge. Sieht Ihr Verein da Einflussmöglichkeiten?
Gerhardt: Da ist Luft nach oben. Ich hoffe einfach, dass beide wohlmeinende Parteien – Investor und Stadt – einen Kompromiss finden. Eigentlich wollen ja alle nur das Beste. Und nur miteinander sprechenden Menschen kann geholfen werden. Wir können versuchen zu vermitteln, aber letztlich sollten Investor und Stadt sich aufeinander zu bewegen.
WZ: Hatzfeldtrasse, Langerfeldtrasse, Verlängerung Sambatrasse: Es gibt noch eine Reihe anderer Trassenprojekte in Wuppertal. Wird sich ihr Verein dort einbringen?
Gerhardt: Wir sind schon gut ausgelastet. Der Erhalt und der die Ausgestaltung der Nordbahn- und Schwarzbachtrasse sind schon eine riesige Aufgabe für uns. Wir sind noch lange nicht fertig. Wir haben ja viele Ideen, wie zum Beispiel den Verkehrskindergarten, wo wir aktuell eine Fläche suchen. Das Thema Sicherheit beim Fahrradfahren ist für uns ein ganz wichtiges.
WZ: Zur Sicherheit passt auch die Diskussion um ein Tempolimit auf der Trasse. Sie hatten sich in der Vergangenheit durchaus dafür ausgesprochen, zumindest für eine temporäre Regelung, etwa bei Veranstaltungen.
Gerhardt: Mit dem Auto kann ich auch nicht durch den Stau brettern oder mit 200 durch zähfließenden Verkehr rasen. Genau das probieren einige Radler auf der Trasse aber immer wieder. Sie müssen ihr Tempo aber der Verkehrssituation anpassen – und im Zweifelsfall eben mal absteigen.
WZ: Nicht mit allen Ideen kommt die Wuppertalbewegung bei allen gut an. Diskussionen gab es im vergangenen Jahr über die Kameraüberwachung auf der Schwarzbachtrasse. Läuft die noch?
Gerhardt: Ja, wir benötigen sie noch. Und wir erhalten dafür viel Zuspruch. Die Polizei hat bereits mehrfach Filmmaterial angefordert, und wir haben das natürlich zur Aufklärung von Straftaten zur Verfügung gestellt. Die Überwachung gibt es auf der Schwarzbachtrasse, weil wir als Wuppertalbewegung diesen Teil ja noch vier Jahre pflegen und betreiben müssen. Solange ist es unser Vereinsinteresse, unser Privateigentum zu schützen.
WZ: Wo gibt es noch Kameras?
Gerhardt: Das gleiche gilt auch für den Aussichtspunkt Belvedere an der Nordbahntrasse. Im Interesse der großen Mehrheit von Mitmenschen, die sich dort in einem gepflegten und sicheren Umfeld aufhalten möchten.