Gastbeitrag Arne Ulbricht: „Verwandelt Corona-Zeit in Familien-Zeit“

Wuppertal · Der Lehrer und Vater berichtet vom Alltag ohne Schule.

Arne Ulbricht liest jetzt vorerst im Internet.

Foto: Michael H. Ebner

Eigentlich ist ja alles doof! Meine Veranstaltungen in Frankreich, wo ich meinen Roman über Maupassant vorgestellt hätte: ausgefallen! Englandfahrt meiner Tochter? Ausgefallen! Romfahrt meines Sohns? Ausgefallen! Darüber hinaus sitzen wir plötzlich im Käfig – meine Frau, die gar nicht weiß, wie es werktags bei uns zu Hause tagsüber ist, hat das Wohnzimmer seit Montag, 16. März, (für uns Tag 1 der neuen Zeitrechnung), zu ihrem Homeoffice erklärt. Unser Garten ist unser Außengehege, das wir auch reichlich nutzen. Zeitgleich mit der Stilllegung des öffentlichen Lebens hat ja die Sonne den Dauerregen vertrieben, als hätte sich wer auch immer für Corona entschuldigen wollen.

Damit bei uns nicht das Chaos ausbricht, haben wir uns auf Regeln geeinigt: Zu diesen Regeln gehört zum Beispiel, dass die Kinder (12 und 16 – wären sie 2 und 6, wäre es komplizierter) nicht erst am Nachmittag, sondern morgens aufstehen, dass sie jeden Tag etwas für die Schule tun, beim Aufräumen und Kochen helfen, dass mein Sohn nicht noch mehr zockt, sondern auch liest, dass wir unsere Sachen nicht überall rumliegen lassen, damit die Nerven meiner Frau geschont werden und dass wir jeden Tag rausgehen.

Nun kann man ja schon fast eine Zwischenbilanz ziehen: Das mit dem Aufräumen hat eher nicht so geklappt, und meine Frau war irritiert, dass wir während des Mittagessens die Töpfe auf dem Herd stehen lassen und sich jeder nimmt, was er will. („Das machen wir immer so, Mama!“) Einmal bin ich auch ins Wohnzimmer gerannt, warum auch immer mit freiem Oberkörper (!), und habe zu spät gemerkt, dass meine Frau mitten in einer Videokonferenz ist. Vor allem die Teilnehmerinnen haben gelacht (und sich hoffentlich gefreut). Und ja, manchmal gibt es auch Phasen, wo alle ein bisschen schlechter gelaunt sind und man sich wegen Kleinigkeiten anmault, weil man sich nicht wirklich aus dem Weg gehen kann.

Aber im Großen und Ganzen lief es bisher so gut, dass weder meine Frau noch ich beabsichtigen, die Scheidung einzureichen, und auch meine Kinder haben nicht darum gebeten, dass wir sie nach der Corona-Zeit im Internat anmelden.

Nicht immer, aber durchaus oft denke ich: Vielleicht ist Corona ja auch eine Chance! Denn nicht nur unsere Familie hat die Möglichkeit das Mehr an Zeit dazu zu nutzen, Corona-Zeit in Familien-Zeit zu verwandeln. (Diejenigen, die in bestimmten Berufen arbeiten, haben nicht mehr Zeit, sondern unendlich viel Stress – dessen bin ich mir bewusst.)

Ich bin verhalten optimistisch, dass wir als Familie gestärkt aus der Krise herausgehen. Und vielleicht werden wir in einigen Jahren mit einem Lächeln über diese Wochen reden, in denen wir plötzlich mehr oder weniger durchgehend in unserer Wohnung saßen und uns viel weniger auf die Nerven gegangen sind, als wir befürchtet hatten.

Arne Ulbricht liest auf seinem neuen YouTube-Lanal gegen die Krise und vor allem aus seinem Buch „Luna“. Zu sehen sind die Lesungen unter