Soziales Expertinnen lösen Alltagsprobleme in Familien
Wuppertal · EU und Land fördern Pilotprojekt zur Unterstützung von sozial Benachteiligten.
Eine besondere Art von aufsuchender Unterstützung bieten das städtische Jugendamt und das Jobcenter in einem vor kurzem angelaufenen Projekt mit dem Namen „Familien im Quartier“. Das von der Europäischen Union und dem Land NRW geförderte Vorhaben soll bis zu 75 Familien in Aspekten des alltäglichen Lebens wie Gesundheit, Erziehung, Wohnen, Schule, Ausbildung und Arbeit beraten und unterstützen. Das Projektgebiet erstreckt sich auf die östlichen Stadtteile Wichlinghausen, Oberbarmen-Schwarzbach und Hilgershöhe, der Zeitraum des Vorhabens dauert bis Ende 2020.
Sieben weibliche Familiencoaches aus Bereichen wie Sozialarbeit, Krankenpflege, Gesundheit und Pädagogik kümmern sich um die Hilfe für die sozial benachteiligten Familien. Das Projekt ist eine Fortsetzung des Programms „75 Familien plus“, das die Stadt bereits als „Pilotprojekt für NRW“ durchgeführt hatte, erklärte Sozialdezernent Stefan Kühn am Dienstag. Dass die Projektidee für eine „intensive und ganzheitliche Familienbetreuung“ in Stadtteilen mit einer gemischten Sozialstruktur eine weitere Förderung erhalte, bestärke Stadt und Jobcenter in ihrem Ansatz. „Eine Erfolgsgeschichte geht weiter“, betonte Kühn.
Das Projekt kostet 650 000 Euro - größtenteils gefördert
Die Kosten für das Projekt belaufen sich auf rund 650 000 Euro, Land und EU unterstützen es mit 525 000 Euro, der Rest kommt als Eigenanteil von der Stadt. Sozialdezernent Kühn wies auf den „interdisziplinären Charakter“ des Programms hin. Die Familiencoaches könnten bei Problemen mit Arbeitslosigkeit, in der Schule, beim Wohnen oder der Gesundheit weiterhelfen. Oft gebe es in den Familien „ein Bündel“ von Problemen, das den Betroffenen zusetze. Mittelfristiges Ziel sei zudem die „Integration am Arbeitsmarkt“ und die Verbesserung der Nachbarschaft.
Das Projekt betreut bislang 40 Familien mit fast 150 Teilnehmern. Knapp drei Viertel der betreuten Personen stammen aus Zuwanderer- oder Flüchtlingsfamilien. Weitere Bewerbungen sind derzeit noch möglich, die Teilnahme ist freiwillig. Die Bewerber sollten aus den genannten Stadtteilen kommen und zudem Arbeitslosengeld II (Hartz IV) oder andere Sozialleistungen erhalten.
Familienansatz setzt
einen langen Atem voraus
Die Beratungen finden in der Regel zu Hause bei den Familien statt. Oft ergäben sich dann bei den Besuchen vor Ort etliche andere Problemen, mit denen die Familien zu kämpfen hätten, sagte Stefanie Bernbeck, die als Sozialarbeiterin eine der sieben Familiencoaches ist. Meiste gebe es „eine akute Krisensituation“, die den Anlass für das Gespräch bilde, dann würden oft weitere Probleme angeschnitten.
Mit dem Fokus auf die Familien vollziehe sich ein neuer methodischer Ansatz, betonte der Vorstand des Jobcenters, Andreas Kletzander. Sei früher bei der Unterstützung und Hilfe für Langzeitarbeitslose vor allem auf die einzelne Person geachtet worden, schaue man jetzt stärker auf das familiäre Umfeld. Dieser ganzheitliche Ansatz sei auch deshalb wichtig, weil die Eltern oft ein Vorbild für die Kinder und Jugendlichen seien. Mit den Familiencoaches habe man Expertinnen, die „alle Probleme, die wir haben, ansprechen und begleiten können“, lobte Kletzander. Auch Elke Stapff, Projektleiterin für das Jugendamt, bezeichnet den Blick auf die „ganze Familie“ als erfolgversprechenden Ansatz, der allerdings auch einen „langen Atem“ in der Betreuung erfordere.
Doch bei den Familien selbst will das Projekt nicht stehen bleiben - es versteht sich auch als Beitrag zur Stadtteilentwicklung. So sei ein Aspekt des Programms die Entwicklung von Gruppenangeboten, unterstrich Birgit Gayko, die als gelernte Kinderkrankenschwester zum Team gestoßen ist. So wurde eine Gruppe eingerichtet, in der Frauen mit Migrations- und Flüchtlingshintergrund Schwimmen lernen können. Mehr als 40 Frauen nutzten das Angebot bereits, hieß es. Zudem wird in Zusammenarbeit mit der Stadtteilbibliothek Wichlinghausen unter dem Titel „Games for Kids“ eine Gruppe eingerichtet, in der Kinder und Jugendliche mit dem Angebot der städtischen Bücherei vertraut gemacht werden.