Karriere Wuppertaler Geschäftsfrau: Aus dem Büro in die Backstube

Wuppertal · Martina Hellmann möchte eine Brot-Manufaktur eröffnen. Dafür steht sie jede Nacht in der Backstube.

Martina Hellmann möchte Ende des Jahres auch ihren Meister machen.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Von 2 bis 6 Uhr nachts in der Backstube stehen, dann duschen und frühstücken und anschließend acht Stunden lang das Büro schmeißen – Martina Hellmann hatte in den vergangenen zwei Jahren viel Arbeit und wenig Schlaf. Aber sie wollte unbedingt eine Bäcker-Ausbildung absolvieren. Deshalb ist sie Bäckerinnungs-Obermeister Dirk Polick dankbar, dass er ihr die Ausbildung in Teilzeit ermöglicht hat.

„Ich habe mich schon lange mit dem Gedanken getragen, etwas anderes zu machen“, erinnert sich die 45-Jährige. Obwohl ihr Hauptberuf super läuft: Seit 1997 verwaltet sie Gewerbe-Immobilien, hat sich in der Logistik-Branche einen Namen erarbeitet, insbesondere für knifflige Fälle. In den vergangenen fünf Jahren hat sie dann eine eigene Firma aufgebaut, die inzwischen vier Mitarbeiter ernährt. „Es läuft wunderbar gut“, stellt die Chefin fest.

Doch dann kam der Schlüsselmoment, als sie abends entnervt vor seitenlangen Abrechnungen saß und ihr Sohn zu ihr meinte: „Glücklich guckst Du eigentlich nur beim Ofen-Kino.“ Also dann, wenn sie vor dem Ofen sitzt und beobachtet, ob das selbst geknetete Brot wie erhofft aufgeht.

Seit 14 Jahren backt Martina Hellmann ihr Brot selbst

Die Geschäftsfrau backt mit voller Begeisterung ihr Brot selbst und probiert die unterschiedlichsten Getreidesorten und Ölsaaten aus. „Aber es ärgerte mich, dass es manchmal klappte und manchmal nicht und ich nicht wusste, warum.“ Deshalb entschied sie sich für die Bäcker-Ausbildung.

Ihr Ziel dabei: eine eigene Brotmanufaktur in Elberfeld. „Dort soll es aber keinen Laden und kein Café geben, sondern nur einen Fensterverkauf und einen Lieferdienst“, erklärt sie ihr Konzept. Alles soll auf das Wesentliche reduziert werden: gutes Brot. Jeden Tag will sie nur zwei Sorten backen, tagsüber. Dafür dürfen diese Brote Zeit benötigen. „Da kann es auch zwei oder drei Tage dauern, bis ein Brot fertig ist“, erklärt sie. „Ein Brot ist ein biologisches und chemisches Universum!“ Sie erzählt von schaumsaurer, indirekter und drei-Stufen-saurer Führung, selbst gezüchteter Apfelhefe und anderen Details, die ein besonderes Aroma erzeugen. „Mein Steckenpferd sind alte Getreidesorten“, sagt Martina Hellmann und betont den Unterschied zwischen Körnern – Getreidesorten wie Weizen, Dinkel, Emmer, Roggen, Gerste, Hafer oder Hirse – und Ölsaaten wie Sonnenblumen- und Kürbiskernen, Leinsaat, Sesam oder Mohn.

Jeden Tag will die Brotenthusiastin andere Brotsorten backen, die auch nach Jahreszeit variieren. Die Kunden können dann per Internet ihr Brot bestellen und bezahlen. Wer es nicht am Produktionsort abholen kann, erhält es per Fahrrad-Kurier – hier denkt die Geschäftsfrau an berufstätige Menschen. Schließlich stand sie früher oft genug selbst kurz vor Ladenschluss beim Bäcker und musste mit den Resten vorlieb nehmen. Außerdem hofft sie, durch das System mit den Vorbestellungen keine Nahrungsmittel wegwerfen zu müssen. Rund fünf Euro peilt sie als Preis für ein Kilo Brot an. Einen Produktionsstandort hat sie allerdings noch nicht. „Erst einmal muss ich meine Ausbildung fertig machen.“

In der zweiten Jahreshälfte will Hellmann ihren Meister machen

In den nächsten Wochen muss sie ihre Theorie- und Praxisprüfung ablegen. „Danach schlage ich 25 Kreuze!“ Bis zu diesem Punkt zu kommen, war schwer. Erst fand sie keinen Bäcker, der sie ausbilden wollte. Viele erklärten die Geschäftsfrau für verrückt. Dann gab es Probleme, ihre Ausbildung in Teilzeit mit 25 Stunden in die Handwerker-Rolle einzutragen. „Aber ich hatte ja Verträge zu erfüllen und könnte auch von meinem Azubi-Gehalt nicht leben“, betont Martina Hellmann. Doch schließlich konnte sie mit Dirk Policks Hilfe alle Probleme lösen. In der zweiten Jahreshälfte 2020 möchte sie dann in Olpe ihren Meister machen – sechs Monate in Vollzeit vor Ort. Im Büro hat sie extra noch eine zusätzliche Kraft eingestellt, damit dort auch ohne sie alles rund läuft. „Meine Mitarbeiter unterstützen mich“, freut sie sich. Zum Jahresende, so ihr Wunsch, will sie die Brotmanufaktur eröffnen – mit offener Backstube, damit die Kunden beim Backen zugucken können.

Die Arbeit ihrer Kollegen in der Backstube nötigt ihr, die 60-Stunden-Arbeitswochen gewöhnt ist, Respekt ab. „Dort wird in einem Wahnsinns-Tempo gearbeitet und körperlich ist das wirklich anstrengend.“ Außerdem schlauche die Arbeit in der Nacht: „Das Gefühl, eine Nacht durchzuschlafen, ist himmlisch!“ Sie hofft, mit ihrem Konzept die Wertschätzung der Wuppertaler für gutes Brot und die darin steckende Arbeit zu erhöhen.