Als Chefarzt der Schmerzklinik am Helios Universitätsklinikum Wuppertal begegne ich in meiner täglichen Arbeit häufig der Frage: Machen Opiate süchtig? Diese Sorge ist verständlich – besonders im Hinblick auf die sogenannte „Opiatkrise“ in den USA. An dieser Stelle möchte ich Ihnen erklären, wie Opiate wirken, welche Risiken bestehen und wie sich eine Abhängigkeit vermeiden lässt.
Opiate sind natürliche Substanzen, die aus dem Schlafmohn gewonnen werden. Bekannte Vertreter sind Morphin oder Codein, das häufig in Hustensäften verwendet wird. Neben den natürlichen Opiaten gibt es auch synthetische oder halbsynthetische Wirkstoffe wie Fentanyl, Oxycodon oder Tramadol. Diese Medikamente spielen eine zentrale Rolle in der Behandlung starker Schmerzen – etwa bei Krebserkrankungen, nach Operationen oder bei schweren Verletzungen.
Opiate wirken, indem sie sich an spezielle Rezeptoren im Nervensystem und im Gehirn, die sogenannten Opioid-Rezeptoren, binden. Dadurch wird die Schmerzwahrnehmung gehemmt. Gleichzeitig kann eine beruhigende oder sogar euphorisierende Wirkung entstehen – und genau hier liegt das Risiko einer Abhängigkeit.
Nicht jedes Opiat führt automatisch zu einer Abhängigkeit. Dennoch gibt es bestimmte Faktoren, die das Risiko erhöhen können. Dazu gehören eine schnelle Wirkstofffreisetzung, wie sie etwa bei Injektionen vorkommt, die Dauer und Dosierung der Einnahme sowie die individuelle Veranlagung. Menschen mit einer persönlichen oder familiären Vorgeschichte von Suchterkrankungen sind besonders gefährdet.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Formen der Abhängigkeit: Bei der physischen Form gewöhnt sich der Körper an den Wirkstoff. Wird das Medikament abrupt abgesetzt, können Entzugserscheinungen wie Unruhe, Muskelkrämpfe oder auch Übelkeit auftreten. Das betrifft auch die langsam freigesetzten Opiate. Bei der psychischen Abhängigkeit entwickelt sich ein starkes Verlangen nach dem Medikament – auch dann, wenn keine körperlichen Schmerzen mehr bestehen. Diese Form ist besonders problematisch, da sie das Denken und Verhalten auch nachhaltig beeinflussen kann.
Trotz der Risiken sind Opiate unverzichtbar in der modernen Schmerztherapie. Entscheidend ist, dass sie unter ärztlicher Aufsicht und nach einem klaren Therapieplan eingesetzt werden. Dabei wägen wir sorgfältig Nutzen und Risiko ab und achten auf eine genaue Dosierung und langsame Anpassung sowie ein behutsames Ausschleichen bei Behandlungsende.
Wenn Sie m Rahmen einer Therapie Opiate einnehmen, ist eine enge Abstimmung mit Ihrer behandelnden Ärztin oder Ihrem Arzt essenziell. So lässt sich das Risiko einer Abhängigkeit minimieren. Ich möchte Ihnen keine Angst machen: Bei verantwortungsvoller, medizinisch kontrollierter Anwendung ist das Risiko, süchtig zu werden, gering. Wichtig ist, dass Opiate nur so lange wie nötig und immer unter ärztlicher Aufsicht eingenommen werden.
Dr. Thomas Cegla ist Chefarzt der Helios Schmerzklinik Wuppertal