Einbürgerung Stanislav Dorofeev hofft seit acht Jahren auf einen deutschen Pass

Der 51-Jährige lebt schon sein halbes Leben lang in Wuppertal. Aufgewachsen ist er in der ehemaligen Sowjetunion. Da er von dort keinen Pass mehr hat, gilt seine Identität seither als ungeklärt.

 Stanislav Dorofeev hat 2011 einen Antrag auf die deutsche Staatsangehörigkeit gestellt. Seine Dokumente hat er alle säuberlich abgeheftet.

Stanislav Dorofeev hat 2011 einen Antrag auf die deutsche Staatsangehörigkeit gestellt. Seine Dokumente hat er alle säuberlich abgeheftet.

Foto: Fries, Stefan (fri)

Seit 26 Jahren lebt Stanislav Dorofeev (51) in Deutschland, 25 davon in Wuppertal. Seit acht Jahren möchte er Deutscher werden. Doch das gelingt bisher nicht.

Er erzählt seine lange Geschichte geduldig, präsentiert Unterlagen, die er ordentlich abgeheftet hat. Aufgewachsen ist er demnach in Taschkent, heute Hauptstadt des Staates Usbekistan, damals Teil der Sowjetunion. Einen Pass von dort hat er nicht mehr. Einen deutschen Pass hat er bisher nicht bekommen. Ohne Pass funktioniert vieles nicht.

Das Gravierendste: „Vier Jahre habe ich mich mit einer Frau getroffen. Wir wollten heiraten. Aber ohne Papiere geht das nicht.“ Sie haben sich getrennt. Sie habe gesagt: „Ich kann nicht ewig warten.“ Auch im Alltag fehlt der Ausweis: Er kann keinen Handy-Vertrag abschließen, hat nur eine Prepaid-Karte.

In den Westen habe er schon als Jugendlicher gewollt, westliche Sender gehört, deutsche und englische Literatur gelesen. „Es war immer mein Traum, London zu sehen.“ Nach der Ausbildung zum Feuerwehrmann habe er als IT-Fachmann gearbeitet.

Nach den Reformen Gorbatschows habe er ein einjähriges Visum für Deutschland erhalten. „Am 18. 2.1993 stand ich in Berlin-Schönefeld.“ Bekannte, bei denen er wohnte, schlugen ihm vor, einen Asylantrag zu stellen. Das hat er getan. Er wird 1994 von der Lausitz nach Wuppertal geschickt. Sein Asylantrag bleibt erfolglos. Aber er will nicht zurück: „Ich hatte tierische Angst vor den Nachfolgestaaten der Sowjetunion.“

Er versucht es trotzdem und wird davon krank: „Das war meine dunkle Zeit.“ Er sei mehrfach in der Psychiatrie gewesen, habe starke Tabletten bekommen. Wegen seines Gesundheitszustands habe er in Deutschland bleiben dürfen, einige Jahre unter gesetzlicher Betreuung.

2011 hat er die deutsche
Staatsangehörigkeit beantragt

Um die Jahrtausendwende findet er Arbeit bei Proviel, im Büroservice. Zehn Jahre ist er dort, fühlt sich wohl. Heute sei er wegen Erwerbsunfähigkeit verrentet. 2011 hat er die deutsche Staatsbürgerschaft beantragt. „Seitdem läuft diese Odyssee.“ Warum der Antrag? „Wenn man so lange hier lebt, die Sprache und die Kultur kennt, dann stellt man sich diese Frage.“ Und sowieso: „Ich bin verliebt in Deutschland.“ Er liebe deutsche Schlager.

Er hat alle Formulare und seine Geburtsurkunde eingereicht. Aber um die deutsche Staatsangehörigkeit zu bekommen, muss er seine eigene ablegen. Er ist sich nicht sicher, welche das eigentlich ist. Wo sein sowjetischer Pass ist, weiß er nicht. 1999 hat er über seine Mutter einen usbekischen Pass besorgen lassen. Doch der ist weg, seit ihm 2012 im Zug sein Rucksack gestohlen wurde.

Er hat sich an das usbekische Generalkonsulat gewandt. „Aber die wollen mit mir nichts zu tun haben.“ Mehrfach sei er nach Frankfurt gefahren und abgewimmelt worden. „Ich kann Stress nicht vertragen“, sagt er. „Und die finanziellen Mittel habe ich auch nicht.“ Trotzdem sage die Stadt, er habe sich nicht genug bemüht. „Die schieben die ganze Schuld auf mich“, so Stanislav Dorofeev.

Er hat Klage eingereicht. Und das Verwaltungsgericht Düsseldorf gab ihm Recht. Er erfülle alle sonstigen Voraussetzungen und habe ausreichend viel unternommen, um aus der usbekischen Staatsangehörigkeit entlassen zu werden: Er habe die nötigen Formulare ausgefüllt und versandt, persönlich vorgesprochen. Er zeige „ein ernsthaftes und nachhaltiges und damit ausreichendes Bemühen“. Daher habe er einen Anspruch auf Einbürgerung. Die Stadt werde „verpflichtet, den Kläger in den deutschen Staatsverband einzubürgern“, heißt es im Urteil vom 26. Februar 2019. Stanislav Dorofeev glaubt sich am Ziel.

Aber die Stadt ging in Berufung. „Weil er keinen Entlassungsantrag gestellt hat“, sagt Thomas Braun vom Team Einbürgerung der Stadt auf WZ-Nachfrage. Dafür müsse Stanislav Dorofeev wohl erst einen gültigen Reisepass beantragen.

Derzeit sei seine Identität ebenso wenig geklärt wie seine Staatsangehörigkeit. Braun will Dokumente sehen: „Wir wissen aus anderen Fällen, dass die Usbeken eine Bescheinigung ausstellen, dass ein Entlassungsantrag gestellt wurde.“

Die Nachricht von der Berufung schockiert Stanislav Dorofeev. „Für mich ist das krass. Ich bin seit 25 Jahren im goldenen Käfig.“ Er würde so gern reisen, endlich nach London. „Das macht mich noch mehr krank“, sagt er traurig. „Warum ist die Stadt gegen einen schwer behinderten Menschen?“ Dabei will er gern aktiv sein: „Ich liebe Wuppertal, ich bin interessiert an Politik und Kultur. Aber ich habe so das Gefühl, als ob ich nicht dazu gehöre.“