Verbraucher Tierwohlkennzeichen: Landwirte sind skeptisch

Wuppertaler Bauern denken, dass das vorgeschlagene Siegel nicht der richtige Maßstab ist.

In der vergangenen Woche wurde das Siegel vorgestellt.

Foto: dpa/Britta Pedersen

Dass Verbraucher wissen möchten, ob es dem Tier, das sie essen, vor der Schlachtung gut ging, das kann Carsten Bröcker nachvollziehen. Dass aber das Tierwohlkennzeichen, das Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner für die Schweinehaltung plant, dazu das richtige Instrument ist, daran hat der Wuppertaler Landwirt so seine Zweifel. Und damit ist er nicht allein.

„Ich kann mir nur schwer vorstellen, dass Verbraucher mit diesem Siegel überhaupt viel anfangen können“, glaubt Bröcker. „Es ist für sie doch unheimlich schwer, nachzuvollziehen, was da überhaupt hinter steckt und was die Einordnung aussagt.“ Auf seinem Hof, dem Gut zur Linden an der Gruitener Straße, betreibt der Landwirt auch einen Hofladen und kommt da in direkten Kontakt zu seinen Kunden. „In den Gesprächen wird genau das immer wieder deutlich: Die Leute blicken nicht durch bei den Siegeln. Zumal es so viele verschiedene Zeichen gebe. „Viele Verbände haben ihre eigenen.“ Übersichtlich sei das nicht.

Und nicht nur aus Verbrauchersicht, sondern auch für Landwirte sei das geplante Tierwohlkennzeichen „schwierig“, findet Carsten Bröcker. Bundesweit schablonenhaft die gleichen Kriterien anzuwenden bei der Fülle unterschiedlicher Betriebe, das hält er nicht für die beste Lösung. „In Bayern etwa gibt es noch viele kleine Betriebe, in denen die Tiere an der Kette gehalten werden. Anderswo, wie etwa im Kreis Borken, gibt es viele Großbetriebe. Es gibt innerhalb der Branche einfach große Unterschiede.“

Wenn es ums Geld geht, rückt das Tierwohl ins zweite Glied

In Wuppertal sei das Tierwohlkennzeichen für die meisten Landwirte aber kein großes Thema, weiß Martin Dahlmann, Vorsitzender der Kreisbauernschaft Mettmann. Denn es gebe in der Stadt nur einen Schweinezüchter, und der verkaufe sein Fleisch direkt. Marc Sonnenschein von der gleichnamigen Metzgerei bietet in seinem Geschäft die Produkte des Züchters an. Durch den Direkt-
ankauf ab Hof hat das Siegel für ihn sowieso kaum eine Bedeutung, außer der Metzgermeister kauft auf Kundenwunsch besondere Spezialitäten zu. „Aber solch eine lokale Zusammenarbeit ist selten mittlerweile“, weiß Marc Sonnenschein. Für die breiten Massen sei es gleichwohl schwieriger, nachzuvollziehen, ob Schlachttiere gut gehalten werden.

Wobei – davon ist Marc Sonnenschein überzeugt –, „wenn es ums Geld geht, rückt das Tierwohl für viele Verbraucher sowieso an die zweite Stelle“. Auch Martin Dahlmann sieht die Kunden mit in der Pflicht. „Wer eine Woche All inclusive-Urlaub für 200 Euro bucht, darf auch kein exquisites Hotel mit Gourmetessen erwarten.“ Ähnlich sei das mit Lebensmitteln. „Eine gute Tierhaltung kostet die Landwirte mehr. Demnach müsste der Verbraucher auch mehr für ein Schnitzel zahlen.“ Ob Verbraucher auf Dauer dazu bereit sind, müsse die Zeit zeigen. Derzeit seien Tierschutz und Veganismus sowieso „hip“.

Grundsätzlich findet Martin Dahlmann den Ansatz übrigens nicht falsch, Tierwohl mehr in den Fokus zu rücken. „Wir arbeiten mit Lebewesen“, sagt er. Da solle es selbstverständlich sein, vernünftig mit ihnen umzugehen. Das Ganze müsse allerdings für alle Seiten hinnehmbar sein. „Die Landwirtschaft ist eine Wirtschaft“, macht der Vorsitzende der Kreisbauernschaft ganz deutlich. „Und wir müssen aufpassen, dass die Bauern nicht aussterben.“ Er wisse von vielen Kollegen, die aufhören, weil sie nicht mehr wollen. „Die Margen sind einfach zu gering, der Frust wird immer größer.“ Und die Landwirte seien in den Augen der Verbraucher oft „die Dummen“, obwohl sie nur umsetzen würden, was die Politik ihnen vorgibt. Oder eben nicht umsetzen können, weil die Politik es nicht erlaube.

Damit Kunden Landwirten vertrauen können und erst gar nicht auf Siegel angewiesen sind, die sie womöglich nicht durchschauen, hat Carsten Bröcker, der Bullen hält, einen eigentlich ganz einfachen Tipp: „Vor Ort einkaufen und sich die Höfe ansehen, auf denen man kauft. Dann weiß man ganz sicher, wo sein Fleisch und Gemüse herkommt.“