Muskelpaket Wuppertaler Marcus Schneider ist der „Breiteste Pastor Deutschlands“
Wuppertal · Der Wuppertaler Marcus Schneider gibt als „Breitester Pastor Deutschlands“ im Internet Tipps für einen dicken Bizeps und ein Leben im Einklang mit Gott.
Marcus Schneider ist ein Muskelpaket, er drückt in seinen härtesten Trainingsphasen mehr als 170 Kilo, Arme, Beine, Rücken, Hände sind komplett tätowiert. Und er ist Pastor. Der 40-Jährige ist seit acht Jahren ordiniert, predigt in der freikirchlichen Christusgemeinde in Wuppertal-Langerfeld – aber auch bei ökumenischen Gottesdiensten in evangelischen Kirchen oder auf Tattoo-Conventions. Als „Breitester Pastor Deutschlands“ gibt er im Internet Tipps für einen dicken Bizeps und ein Leben im Einklang mit Gott.
Marcus Schneider fand nach einer wilden Teenagerzeit zum Glauben. Sein Leben damals, sagt er, war wie ein Überraschungsei – geladen mit Spannung, die ziemlich schnell verpuffte. Er suchte nach mehr Sinn. Und entdeckte Gott für sich. „Ich würde mich nicht als religiös bezeichnen“, sagt Schneider. „Ich lebe mit Gott – mal besser, mal schlechter.“ Wichtig sei ihm, die Frömmigkeit nicht nur einmal in der Woche hervorzukramen, wenn es zum Gottesdienst geht, sondern sie jederzeit zu leben: „Jesus ist das Zentrum meines Lebens.“
Nur unwesentlich später, als er seine intensive Beziehung zum Schöpfer aufbaute, begann er auch mit seinem extremen Muskelaufbau. Er schweißte sich eine eigene Hantelbank und stemmte mehr und mehr Gewicht. Und auch diese Leidenschaft erfasste sein komplettes Leben. „Ich kann nicht einfach so trainieren, ich brauche immer ein Ziel“, erklärt der 40-Jährige. Mal baut er Masse und Stärke auf, mal reduziert er drastisch sein Körperfett. Seit fast zwei Jahren praktiziert er nunmehr „intermittierendes Fasten“: Er isst nur innerhalb von acht Stunden eines Tages, fastet die 16 verbleibenden komplett. Kleine Sünden erlaubt sich der Fitnessfanatiker – Schokokekse etwa.
Ansonsten isst er gesund und proteinreich: Gemüse, Obst, Fleisch. „Bei der Pastorenklausur kennen sie das schon: Der Marcus bringt wieder sein eigenes Essen mit“, sagt er lachend. Ob seine Tätowierungen am ganzen Körper eine dritte ausufernde Leidenschaft sind oder nur das Sichtbarwerden seiner ersten, ist schwer zu sagen. „Es drückt aus, was in mir ist“, sagt Schneider über die Motive, die allesamt einen christlichen Bezug haben.
Den Spitz- und mittlerweile Künstlernamen „Breitester Pastor Deutschlands“ verpasste Marcus Schneider ein Kumpel. Er ist als Sprecher buchbar, predigt in unterschiedlichen Gemeinden, segnet Tätowierer auf Messen. Er spielt mit den scheinbaren Gegensätzen, die er verkörpert. „Es stellt das Bild von Kirche und Pastoren auf den Kopf – das mag ich“, sagt Schneider. Er hofft aber auch, dass es Scheu vor der Kirche abbaut und sich gerade junge Menschen sagen: „Wenn der Typ da ist, kann ich auch kommen.“ Und zwar so, wie sie sind.
Der 40-Jährige will authentisch und integer sein
Das ist Marcus Schneider bei aller PR wichtig: „Ich will authentisch sein“, sagt er. „Authentisch und integer. Ich bin kein Pastor, der mal ein bisschen auf Fitness macht.“ Sein Fitnesswahn sei keine Methode, um mit einer coolen Fassade auf Schäfchenfang zu gehen. Mitunter kommen seine Pumperfreunde schon in die Gemeinde, „aber ich bete auch im Fitnessstudio“, sagt Schneider. „Mir geht es wirklich um die Menschen. Ich kann mit jedem chillen und mit jedem diskutieren. Ich nutze auch keine Gesprächsstrategie, um unbedingt über Gott zu reden. Wenn es richtig und wichtig ist, kommt das schon.“ Die Figur des breitesten Pastors indes nutzt er durchaus als Zugang zu Menschen, die sonst die Nase rümpfen würden beim Ruch christlicher Botschaft: „Es ist egal, wie gut das ist, was du sagst, wenn keiner zuhört“, erklärt er. Seine Suche nach Gehör hätte Marcus Schneider um ein Haar in die Politik gebracht. „Aber ich wollte nicht die Umstände von außen verändern“, sagt er. Also studierte er Theologie in den USA, wurde Jugendpastor und machte die Ordinationsausbildung, ist seit 2010 ordiniert.
Für sein Sendungsbewusstsein hat er als Kanal nicht nur die Gemeinde im Wuppertaler Stadtteil Langerfeld mit einer schwierigen Sozialstruktur, sondern auch Facebook, Instagram und Youtube – und auch ein Buch hat er geschrieben; es trägt den Titel „Stark“. Denn das, sagt Schneider, will er: Menschen stark machen. Fürs Kreuzheben wie fürs Leben. „Ich mag dieses Pumperzeug – Tattoos und Muskeln. Das ist cool, das gehört zu mir. Aber das Wichtige“, erklärt er, „liegt dahinter.“ Und so wolle er auch den jungen Menschen vermitteln, dass ihr Bizeps vielleicht super ist – aber nicht das, was sie wertvoll macht. „Ich erlebe eine große Offenheit für geistliche Fragen“, berichtet der Pastor von den Rückmeldungen. „Wohl auch, weil es so wenig Antworten gibt.“ Zum Beispiel auf die Frage nach dem Sinn des Lebens.
Schneiders Familie stärkt ihm den breiten Rücken. Seine Frau Esther und zwei Freunde bilden das Familienunternehmen, das den „breitesten Pastor Deutschlands“ managt, seine Bücher verlegt und Tätowierer vermittelt. Seine vier Kinder scheinen nicht wirklich mehr verwundert, wenn der Papa im Strandurlaub in Thailand auf der Veranda des Bungalows vor einer Kamera Verrenkungen macht. Rückendeckung, die der 40-Jährige braucht. Denn reich macht ihn der „breiteste Pastor“ nicht. Zumindest nicht in finanzieller Hinsicht – parallel zum Predigen und Pumpen deckt Schneider Dächer, um seine Familie zu ernähren.