Konzert Sinfonieorchester begleitet einen Stummfilmklassiker
Wuppertal · In der Historischen Stadthalle wurde mit dem Stummfilm „Modern Times“ ein Meilenstein der Filmgeschichte im Rahmen des Engels-Jahres gezeigt – mit musikalischer Begleitung durch das Sinfonieorchester Wuppertal.
Als Komödiant ist Charlie Chaplin (1889-1977) über so gut wie alle Generationen und Kulturkreise bekannt. Dass er allerdings auch als Filmkomponist tätig war, wissen vermutlich nicht viele Menschen. Wer in dieser Frage Nachholbedarf hat, der konnte sich am Samstagabend in der Historischen Stadthalle informieren. Dort wurde mit dem Stummfilm „Modern Times“ ein Meilenstein der Filmgeschichte im Rahmen des Engels-Jahres gezeigt – mit musikalischer Begleitung durch das Sinfonieorchester Wuppertal. Dirigent war Stefan Geiger, der mit der sinfonischen Aufführung von Filmmusiken langjährige Erfahrung hat.
Chaplin hat in dem 1935 entstandenen, rund eineinhalbstündigen Film nicht nur die Hauptrolle gespielt. Er hatte auch das Drehbuch geschrieben, die Regie übernommen, war für Produktion sowie Schnitt zuständig und hat eben auch die Filmmusik komponiert – obwohl er selbst keine Noten lesen konnte. Deshalb setzte er auf die Unterstützung von Musikern, denen er seine Vorstellungen zur musikalischen Untermalung des Filmes präsentierte.
Heraus kam eine Filmmusik, die nach Angaben von Dirigent Geiger bisweilen an die „Grenze der Unspielbarkeit“ geht. Da wechseln sich hektische Stakkato-Passagen, in denen die entmenschlichende Arbeit in einer Fabrik begleitet wird, mit ruhigeren Abschnitten ab, in denen romantische Szenen zu sehen sind. Geiger selbst, der über ein Projekt im Studium mit Filmmusik in Kontakt kam, mag die besondere Art der Auftritte. Da lache das Publikum auch mal laut oder spende spontan Zwischenapplaus. Dieser „direkte Zugang zum Publikum“ sei sehr reizvoll für ihn, sagte der Dirigent im Gespräch mit der WZ.
Von der Thematik her passt „Modern Times“ in jedem Fall perfekt ins Engels-Jahr, schilderte der restaurierte Stummfilm doch Phänomene wie Arbeitslosigkeit und soziale Verelendung im Zeitalter der Industrialisierung.
Lediglich vier Probentage
blieben den Musikern
Wer mit Begriffen aus dem Marxschen Kanon wie „Entfremdung“, „Mehrwert“ oder „Produktionsmittel“ nichts oder wenig anfangen kann, dem wird vorgeführt, was sie bedeuten: Da werden Arbeiter – gleich zu Beginn des Filmes – wie Schafe in die Fabriken getrieben, die Fabrikarbeiter vollführen den immer gleichen Handgriff an einem anonymen Produkt, sind dem Diktat des Fabrikanten und dem Lauf des Fließbandes ausgeliefert. Da muss man ja verrückt werden – oder eben einen Nervenzusammenbruch erleiden, was der namenlose Held in der für Chaplin typischen Gestik, Mimik und Körpersprache denn auch prompt tut.
Es folgt ein Aufenthalt im Sanatorium ebenso wie einer im Kittchen, der Versuch, in anderen Jobs zu reüssieren, und der Beginn einer Beziehung zu einer jungen Frau, die als Waise ebenso entwurzelt ist wie Chaplin und als Treibgut der modernen Zeiten verzweifelt nach sozialer Anerkennung und gesellschaftlicher Normalität sucht.
Dabei wirken die Darstellungen – bis hin zu der ikonografischen Szene, in der Chaplin zwischen den Zahnrädern einer Maschine zerquetscht zu werden droht – kritisch und teilweise wie ein Aufruf zumindest zur Revolte. Zugleich ist der Grundtenor aber zutiefst amerikanisch. Das beginnt im Vorspann des Films, in dem vom „Pursuit of Happiness“ die Rede ist; dem Streben nach Glück, dass ja bekanntlich in der Verfassung der USA jedem Bürger als unveräußerliches Recht zugeschrieben wird. Jeder ist seines Glückes Schmied – und mit einem Lächeln gelingt das immer noch am besten. Das macht auch Chaplin zum Abschluss seiner Begleiterin deutlich.
Vier Probetage hatte Geiger mit dem Sinfonieorchester Wuppertal im Vorfeld absolviert. Das Orchester saß mit dem Rücken zur Leinwand, nur der Dirigent konnte den Film sehen. Die Musiker absolvierten die vermutlich auch für sie nicht ganz leichte Aufgabe vorbildlich.